Ein Hauch von Garn, kunstvoll geflochten oder zu Luftschlingen drapiert: Die feinen Gebilde zeigen Blumen, Tiergestalten oder auch Heilige – von kunstvollen Ornamenten umrahmt.
Symbole von Macht und Status
Die Arbeiten aus dem 16. bis 19. Jahrhundert sind hochkarätig. Der Ausdruck passt: Spitzen waren teuer wie Juwelen und wurden getragen wie solche – als Zierde an den Manschetten, am Hals oder am Kopf. Ihre Botschaft war klar: «Spitzen hoher Qualität waren Ausdruck von Macht, Status und Luxus», sagt Barbara Karl, Direktorin des Textilmuseums St. Gallen.
Macht demonstriert auch eine prunkvolle Decke aus dem 17. Jahrhundert. Sie ist vermutlich ein Geschenk zur Hochzeit des spanischen Königs Philipp IV. Darauf abgebildet sind der Doppeladler mit Krone als Zeichen des römischen Kaisertums, das Goldene Vlies der Habsburger und die Säulen des Herkules von Karl V.: Diese Decke sei ein politisches Statement, sagt Kuratorin Barbara Karl. Wer sie auslegte, demonstrierte seine Macht.
Könige bestimmten, was «in» ist
Die Politik, genauer die Königshäuser, beherrschten die Mode. Mit der Entdeckung Amerikas öffneten sich im 16. Jahrhundert neue Handelswege. Spanien wurde in Europa zum Zentrum der Macht. Das spanische Königshaus prägte während zwei Jahrhunderten die Mode in Europa: strenge Schnitte, meist in Schwarz, dazu steife Halskrausen und viel weisse Spitzen.
Die Spitzenproduktion, eine europäische Erfindung, beginnt im 16. Jahrhundert. Produziert wird die Spitze von Frauen, aufwändig und in Heimarbeit – auch in der Schweiz. Das beweist ein Buch mit Mustervorlagen aus dem Jahr 1561.
Der Dreissigjährige Krieg setzte der spanischen Vorherrschaft ein Ende. Nun wurde Frankreich zur führenden Macht. Es schlug die grosse Stunde von Louis XIV., Sonnenkönig und bald einmal Modepapst. Er kleidete sich üppig und extravagant – und verlieh dabei der Spitze einen Spitzenplatz.
Auch der Sonnenkönig steht auf Spitze
Die Produzentinnen der kunstvollen Gebilde holte er an seinen Hof nach Frankreich. Hier entwickelten sie die Spitze weiter, sagt Kuratorin Karl: «Der junge Louis XIV. kleidete sich noch in eine Spitze, wie sie zum Beispiel in Venedig produziert wurde. Sie heisst ‹Gros Point de Venise›. Der alte Louis XIV. hat sich in feinere französische Spitze gekleidet, in ‹Point de France›».
Doch nicht nur Könige und Adelige tragen die exquisiten Gebilde. Auch der Klerus setzt sich und die Kirche damit in Szene. Davon erzählt im Textilmuseum St. Gallen eine Altardecke aus dem 17. Jahrhundert. Sie zeigt in verschiedenen Tableaus eine Klostergründung. Gefertigt ist sie aus Leinen – und aus purem Gold.
Dem dekadenten Luxus für einige Wenige setzt die Französische Revolution schliesslich ein Ende. Mit ihr demokratisiert sich auch die Mode. Hier reisst der modegeschichtliche Faden der St. Galler Ausstellung ab. Die Geschichte der Spitze ist längst noch nicht zu Ende erzählt. Zum Revival der Spitze während des Historismus im 19. Jahrhundert und zu heute liesse sich noch manche Ausstellung spinnen.