Hemmungen hat jeder. Vor allem in Momenten, in denen man sich eigentlich wünschen würde, keine Hemmungen zu haben: Beim Bewerbungsgespräch etwa, in dem man sich nicht traut, die eigenen Fähigkeiten deutlich herauszustreichen.Oder wenn ein Mensch, der aussieht, als könnte er der langersehnte Traumpartner sein, im Blickfeld auftaucht und man es nicht schafft, ihn oder sie anzusprechen.
Sie sind ein wichtiges Regulativ
Hemmungen haben aber auch eine positive Seite. Sie sind ein wichtiges Regulativ im sozialen Miteinander. Das Museum für Kommunikation in Bern widmet den Hemmungen jetzt eine Ausstellung.
Die grösste Herausforderung erwartet die Besucherinnen und Besucher gleich am Anfang. Durch den Eingang zur Ausstellung geht es in einen Backstage-Bereich: schwarze Vorhänge, grosse Schminkspiegel, Sofas. Hinter dem Backstage Bereich wartet die Bühne: Wer in die Ausstellung will, muss «erstmal einen Auftritt absolvieren», sagt Ausstellungskurator Ulrich Schenk.
Moonwalk, Singen oder Winken
Für den Auftritt kann man sich anmelden, allein, zu zweit oder als Gruppe und auf einem Touchscreen eine Darbietung auswählen. Zur Auswahl stehen unter anderem: Einen Wunsch erzählen, den Moonwalk machen oder ein Lied singen.
Und wer gerne sehr schnell wieder von der Bühne herunter sein will, kann auch «Winken» wählen, das dauere nur sieben Sekunden, sagt Ulrich Schenk.
Bei diesem Auftakt werde nicht viel Inhaltliches vermittelt, sondern für jeden Besucher gehe es darum, «das emotional überhaupt einmal zu erleben, auf einer Bühne zu stehen und das Lampenfieber, die eigenen Hemmungen zu überwinden», sagt Schenk.
Alltag im Museum
Von der Bühne gehts danach in eine Art Park: Ein grosser Raum, mit Kunstrasen ausgelegt. Einerseits steht da gut sichtbar ein Schild «Rasen betreten verboten». Andererseits liegen Picknickdecken bereit, Stühle. Man kann auch ein Transistorradio mit auf den verbotenen Rasen nehmen und sich überlegen, wie laut man die Musik einstellt. Stört man jemand anderen oder nimmt man Rücksicht?
Besucher können hier Situationen erzeugen, wie sie im Alltag allgegenwärtig sind: Die einen fühlen sich gestört, weil die anderen sich zu viele Freiheiten herausnehmen. Und die, die sich gestört fühlen, haben vielleicht Hemmungen, die Störenfriede anzusprechen.
Was Hemmungen in einer Gesellschaft bewirken
Doch auch das Gegenteil ist Alltag: Vor allem online äussern sich Menschen enthemmt über Menschen und Zustände, von denen sie sich gestört fühlen. Den hemmungslosen Hass in Internetforen spricht die Schau ebenso an wie den Umgang mit Nacktheit und Sexualität – der bei vielen Menschen mit grossen Hemmungen verbunden ist. Oder auch den Griff zu enthemmenden Mitteln wie Alkohol und Drogen.
Die stimmungsvoll inszenierte Schau regt dazu an, sich mit den eigenen Hemmungen zu beschäftigen. Und damit, was Hemmungen in einer Gesellschaft bewirken. Und vielleicht denkt man nach dem Ausstellungsbesuch auch im Alltag mehr darüber nach, wo Hemmungen hindern, und wo sie auch ganz angebracht sein können.