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Design im 3. Reich
Aus Kultur-Aktualität vom 18.09.2019.
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Ausstellung über Nazi-Ästhetik Wie das Design zur Waffe wurde

Vom Volkswagen über propagandistische Grafik bis hin zum Geschirr: Die Nationalsozialisten wollten alle Lebensbereiche formen. Eine Ausstellung im niederländischen Design Museum Den Bosch macht genau das zum Thema.

Sabine Zentek hat bereits 2009 ein Buch darüber geschrieben, wie die Nazis ihre Ästhetik in den Alltag der Menschen «einpflanzten». Die Juristin und Autorin im Gespräch über schlichte Oberflächen und schlimme Hintergedanken.

Sabine Zentek

Sabine Zentek

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Sabine Zentek ist Anwältin für Urheberrecht und Autorin des Buches «Designer im 3. Reich» (Lelesken Verlag, 2009).

SRF: Welchen Stellenwert hatte das Design von Alltagsgegenständen für das Nazi-Regime?

Einen genauso hohen Stellenwert wie die bildende Kunst. Die Nationalsozialisten differenzierten auch bei Einrichtungen oder Haushaltsgegenständen zwischen den guten, gesunden Formen auf der einen Seite und den bösen, entarteten Formen auf der anderen Seite.

Ich würde nicht den Begriff ‹Design› benutzen. Das ist ein englischsprachiges Wort, das es in der NS-Zeit so nicht gab.

Als gesunde und damit vorbildliche Form galten schlichte Alltagsgegenstände. Denn aufgrund ihrer Schlichtheit waren sie besonders gut als sogenannte «überzeitliche Dauerformen» für das «ewige Reich» geeignet.

Auch da ging es eigentlich eher um ideologische und nicht um ästhetische Interessen.

Absolut. Die Nationalsozialisten strebten an, dass die Volksgemeinschaft nicht nur gleichartig denkt, sondern auch gleichartig lebt. Man sollte also auch in Uniform seinen Tag verbringen. Und deshalb waren hier Gebrauchsprodukte ein besonders idealer Träger für neue Botschaften.

Wer hat diese Designs entworfen?

Es gab schon zu der damaligen Zeit schlichte moderne Alltagsgegenstände – vor allen Dingen aus dem Deutschen Werkbund.

Die Nationalsozialisten schalteten einfach auch diese Institution gleich und konnten von dort aus zahlreiche bekannte Gestalter für die Weiterarbeit unter NS-Kontrolle gewinnen.

Ein brauner Volkswagen in einer Ausstellung.
Legende: Denkt gleich, wer dasselbe Auto fährt? Der Volkswagen – auch ein Kind der Nazizeit – zu sehen in der aktuellen Ausstellung «Design of the Third Reich». Design Museum Den Bosch

Von heute aus gesehen: Wie würden Sie dieses Design charakterisieren? Ist es als Nazi-Ästhetik erkennbar?

Das ist ja gerade nicht der Fall. Erst einmal würde ich auch gar nicht den Begriff «Design» benutzen. Das ist ein englischsprachiges Wort, das es in der NS-Zeit so nicht gab. Man kann hier von Stilrichtung sprechen.

Es gab zunächst mal den schlichten ewigen Einheitstarif «Stil für die Volksmassen». Dazu zählten Produkte wie Möbel, Geschirr, Gläser, Vasen, Besteck und so weiter.

Ein neues Design im eigentlichen Sinne kann man nicht ausmachen.

Dann gab es noch als zweiten Stil: den volkstümlichen, bäuerlichen Stil. Der war eher für die Landbevölkerung vorgesehen. Hier waren auch durchaus regionale Prägungen zu erkennen.

Dann gab es noch Nippes, aber nur für die SS und für staatliche Sonderaufgaben. Keramische Büsten von Führungspersönlichkeiten, Tierfigürchen aus Porzellan, Wandteppiche und Präsente für Diplomaten.

Der vierte Stil ist der Stil für die Führungsriege. Diese leistete sich sehr üppig gestaltete Luxusgüter mit Entlehnungen aus vielen verschiedenen Epochen. Das heisst, ein neues Design im eigentlichen Sinne kann man hier nicht ausmachen.

Die aktuelle Ausstellung im Design Museum Den Bosch hat auch eine Kontroverse aufgeworfen: Darf man Nazi-Design, Nazi-Kunst und Alltagsgegenstände, die in dieser Zeit bewusst ideologisch entstanden sind, überhaupt ausstellen?

Es kommt darauf an, ob es gelingt, den genauen Kontext der Gestaltung aufzuzeigen. Ob es gelingt, die Instrumentalisierung der Ästhetik für rein ideologische Zwecke in den einzelnen Bereichen zu entlarven.

Wenn das nicht gelingt, dann ist es nicht gut. Es ist wirklich eine Frage des Einzelfalls, wie der Jurist so schön sagt.

Ausstellungshinweis

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Die Ausstellung «Design of the Third Reich» im Design-Museum Den Bosch läuft noch bis zum 19. Januar 2020.

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