Im Basler Museum der Kulturen liegt eine umfangreiche Sammlung australischer Kulturgüter. «Teilweise wissen wir sehr wenig über diese Objekte», erklärt Kuratorin Beatrice Voirol. Das soll sich ändern: Vier Aboriginies aus Ikuntji, nahe Alice Springs in australischen Northern Territory, haben ihren Besuch im Museum angekündigt.
Kuratorin Beatrice Voirol bereitet das Treffen im Museumsdepot vor. Sie holt traditionellen Schmuck der australischen Ureinwohner aus den Schachteln und legt ihn aus: Ketten aus Samen, Gürtel aus Haaren.
«Wir hoffen, dass unsere Gäste uns mehr darüber erzählen können», erklärt Beatrice Voirol. «Umgekehrt ist es für die Aboriginies wichtig zu erfahren, was sich von ihrem Kulturgut wo befindet.»
Lieber im Büro als im Depot
Am nächsten Tag kommen die Gäste aus Australien im Depot des Museums an. Ich als Journalistin darf bei der Begutachtung dabei sein; Treffpunkt soll das Depot sein. Doch kurzfristig wird der Ort gewechselt: Sie wollen mich nicht mehr im Depot treffen, sondern im Büro von Beatrice Voirol.
Dort also sitzen die vier Aboriginies in Reih und Glied vor einem Tisch, auf dem verschiedene Schmuckgegenstände liegen. Die Frauen inspizieren die Objekte. Eine vermeintliche Kette entpuppt sich dabei als Gürtel. Aus einem Bündel Halsbänder ziehen sie zwei kürzere Bändel heraus: Das sei Männerschmuck. Für die Kuratorin wertvolle Hinweise.
Schweigen wegen der «Spirits»
Doch die Frauen verstummen zunehmend, setzen sich hin. Alle vier starren mit unbeweglichen Gesichtern vor sich hin.
Ich werde unsicher. Stört sie vielleicht das Mikrofon? Der Fotograf? Ich bitte die australische Ethnologin Chrischona Schmidt, die die vier begleitet, um Hilfe. Sie gibt die Frage weiter und es stellt sich heraus: Weder Mikrofon noch meine Anwesenheit sind der Grund für die plötzliche Zurückhaltung. Es sind die «Spirits».
«Alles, was ich von Hand anfertige, ist ein Teil von mir», erklärt die Älteste der Gruppe, Roseranna Larry. «Und deshalb beseelt mit einem persönlichen Spirit», erläutert Ethnologin Chrischona Schmidt.
Heikler Umgang
Nun liegen diese Objekte aber schon seit 100 Jahren im Museum in Basel – weit weg von ihrer Heimat Australien. Die Aboriginies wissen nicht, ob die Spirits sich über ihren Besuch freuen. Ob sie traurig oder vielleicht auch wütend sind, weil sie so lange alleine gelassen worden sind. «Spirits können gefährlich werden, wenn wir sie nicht in der richtigen Sprache ansprechen», erklärt Keturah Zimran.
Doch die richtige Sprache sprechen nur die Besitzer der Spirits oder die Clan-Ältesten. Doch keiner der vier ist ein Clan-Ältester. Das macht den Umgang mit den Spirits für sie extrem heikel. Deswegen wollten sie auch raus aus dem Depot und lieber ins kleine Büro: zu viele Objekte – zu viele unbekannte Spirits.
«Die Spirits weinen»
Die vier wirken müde. Emotional sei es für sie alle eine sehr anstrengende Reise, sagt Chrischona Schmidt. Was wir bisher angesprochen hätten, kratze erst an der Oberfläche der ganzen Problematik.
Aus Rücksicht auf ihre Erschöpfung versuche ich, das Gespräch mit einem unverfänglichen Thema zu beenden, dem Wetter. Ich mache eine Bemerkung über die dunklen Wolken, die kalten Temperaturen – und trete voll ins Fettnäpfchen. «Die Spirits weinen», sagt Roseranna Larry. «Die Spirits müssen zurück», ergänzt Jeffery Zimran zwar leiser, aber nicht weniger dezidiert.
«Die Umweltprobleme in Australien sind deshalb so schlimm, weil zu viele Spirits nicht mehr im eigenen Land sind», beendet Walter Jugadai tief besorgt das Gespräch.