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Gesellschaft & Religion Backe backe Kuchen: Warum Reime gut für Kinder sind

Seit Generationen werden sie weitergegeben: Verse und Reime für Kinder. Jetzt gibt es eine umfassende Sammlung dieser Gedichte im Internet. Die interkulturelle Pädagogin Silvia Hüsler verrät, weshalb es eine solche Datenbank braucht.

Sie sammeln Kinderverse in verschiedenen Sprachen. Warum?

Zur Person

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Silvia Hüsler ist Autorin von Kinder- und Fachbüchern zur interkulturellen Pädagogik, Referentin in der Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen an Primarschulen, Kindergärten und Kindertagesstätten.

Als interkulturelle Pädagogin habe ich gemerkt, dass sich Kinderverse dafür eignen, Muttersprache wertzuschätzen. Wenn ich mit Kindern, die einen italienischen Hintergrund haben, einen Abzählreim aufsage, dann sind die Kinder voll dabei: «Uno, due, tre, spaghetti, patate, caffè. Spaghetti, patate, caffè, caffè, uno, due, tre.»

Wie verstehen Sie Ihre Arbeit als interkulturelle Pädagogin?

Mir geht es darum, dass Kinder aus anderen Kulturen und mit einer anderen Erstsprache das Gefühl bekommen, sie haben einen Wert. Wenn sie sich akzeptiert und wegen ihrer Kultur und Sprache nicht benachteiligt fühlen, fällt es ihnen leichter, Deutsch zu lernen.

Selbst Kleinkinder, die einen Vers noch gar nicht verstehen, reagieren mit Freude darauf.

Was finden Kinder an Versen toll?

Webhinweis

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Die Versdatenbank des Schweizerischen Instituts für Kinder- und Jugendmedien (SIKIM) ist unter vers-und-reim.net zu finden. Aktuell zählt die Sammlung 900 Verse in 14 Sprachen. Sie wird fortlaufend ergänzt.

Kinderverse üben eine unglaubliche Faszination auf Kinder aus. Selbst Kleinkinder, die einen Vers noch gar nicht verstehen, reagieren mit Freude darauf. Sie nehmen die Sprache bereits auf dem Wickeltisch auf. Das hat mit Rhythmus und mit den Lautspielen zu tun. Aber auch mit Zuwendung. Wenn man einem Kind einen Vers aufsagt, dann schenkt man ihm seine volle Aufmerksamkeit und schaut nicht noch schnell auf sein Handy.

Das heisst, mit Versen werden erste Beziehungen und Vertrauen aufgebaut, sie fördern das Sprachempfinden und den Spracherwerb. Was können Verse sonst noch?

Kinderverse bestehen aus Laufverbindungen. Lernt man Verse auswendig, lernt man auch fliessend eine Sprache sprechen. Versteht man dann drei-, vierjährig den Inhalt des Verses, erhält man ein Gefühl für den Ablauf einer Geschichte. Kinder lernen so, spielerisch einen Sinnzusammenhang zu erkennen. Das ist ihr erster Kontakt mit Literatur.

Lernt man Verse auswendig, lernt man auch fliessend eine Sprache sprechen.

Verse sind also nicht nur Kulturgut, das tradiert wird, sondern kleine Lernhilfen?

Sie ermöglichen lustvolles Lernen. Dass es jetzt eine Datenbank mit Versen gibt, wo man gezielt nach Versarten suchen kann, ist eine Bereicherung. Vor allem Fachleute, Kindergärtnerinnen und Kindergärtner, Lehrerinnen und Lehrer, Eltern, Grosseltern und natürlich die Kinder profitieren davon.

Sie selber sammeln Kinderverse in verschiedenen Sprachen. In den nächsten Tagen wird eine erweiterte und überarbeitete Ausgabe ihres Buches «Kinderverse aus verschiedenen Sprachen» erscheinen. Wie wählen Sie Verse aus?

Das ist sehr aufwendig. Ich spreche mit vielen Menschen. Daher hat jeder Vers seine eigene aufregende Geschichte und ist für mich ein Geschenk. Insbesondere jetzt, wo ich mich stark mit Versen in Sprachen der aktuellen Flüchtlingsregionen befasse. Ich lasse die Verse immer noch von jemandem aus dem gleichen Kulturraum überprüfen und mit seinen Verskenntnissen abgleichen.

Ist die Versdatenbank nicht auch Konkurrenz für Ihre Bücher?

Das ist für mich keine Konkurrenz. Ich finde es wunderbar, dass es eine solche Datenbank gibt. Ausserdem habe ich selber gerne daran mitgearbeitet. So kommen die Verse schliesslich auch unter die Leute.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 7.11.2016, 17.20 Uhr

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