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Badekulturen Warum ein Bad in radioaktivem Wasser gut sein soll

Im ehemaligen Jugoslawien waren für Angestellte kostenlose Kuraufenthalte üblich. Seit dem Zerfall des Staatenbundes ist Schluss damit. Nur wenige Thermalbäder konnten sich behaupten: In Serbien ausgerechnet ein Thermalbad mit dem angsteinflössenden Namen «Atomska Banja», das Atombad.

Die renovierten Gebäude des Thermalbades haben einen auffälligen, giftgrünen Anstrich mit knallorangen Verzierungen: die Klinik, das Hotel, die Verwaltung und das Therapiezentrum. «Atomska Banja», das Atombad, ist am Ende eines kleinen Tales gelegen, umgeben von Laubwald.

An einem öffentlichen Brunnen füllen Dorfbewohner und Gäste ihre Plastikbehälter mit natürlichem Thermalwasser. Dieses enthält nebst den üblichen Mineralien auch seltene Elemente wie Titan oder Radon – und kann deshalb als leicht radioaktiv bezeichnet werden. Die einen Wasserhähne sind mit Cäsium angeschrieben, die anderen mit Lithium. «Das Wasser ist gut für das Nervensystem und die Augen», sagt eine ältere Frau beim Abfüllen.

Aufschwung nach Privatisierung

Eine hotelähnliche Fassade in Orange und Türkis.
Legende: Das knallige Farbkonzept von «Atomska Banja»: Orange und Türkis. SRF

Frau Lilja kommt seit 20 Jahren zur Kur ins «Atomska Banja». Jetzt allerdings nur noch etwa zwei Wochen pro Jahr. «Solange das Geld eben reicht», sagt die Rentnerin. Sie hat keine Sozialversicherung und muss den Kuraufenthalt aus eigener Tasche bezahlen. Rund 40 Euro pro Tag, alles inbegriffen. Ausländer bezahlen das Doppelte. «Früher hatten wir es besser», meint Frau Lilja resigniert.

Serbien hat rund 30 Kurbäder, die meisten sind immer noch Staatsbetriebe – unrentabel und in schlechtem Zustand. Das Atombad im zentralserbischen Dorf Gornja Trepca, bei Cacak, wurde vor sechs Jahren privatisiert. Neuer Besitzer ist jetzt ein Geschäftsmann aus dem serbischen Agrobusiness.

Krankheitsprozesse verlangsamen

Die tiefgreifenden Veränderungen seit dem Zerfall Jugoslawiens hat die Ärztin Lidija Obradovic-Bursac miterlebt. 20 Jahre schon arbeitet die Internistin und Rheumatologin im «Atomska Banja». Die Behandlungserfolge seien wissenschaftlich bewiesen. Insbesondere bei Patienten mit Multiple-Sklerose. «Wir können Multiple-Sklerose nicht heilen, aber der Krankheitsprozess kann verlangsamt oder gar gestoppt werden, wenn die Behandlung im frühen Stadium beginnt. Wir haben Patienten, die seit 30, 40 Jahren zu uns kommen und immer noch auf eigenen Beinen stehen», sagt Lidija Obradovic.

Sie ist sich bewusst, dass der Name «Atomska Banja» abschreckend wirken kann. Besonders seit den Katastrophen in Tschernobyl und Fukushima. «Im Ausland preisen wir uns deshalb nicht als Atombad an. Wir verwenden die Bezeichnung Rehabilitationsklinik», erklärt die Rheumatologin. Das Thermalwasser mit seiner therapeutisch dosierten Radioaktivität ist laut der Ärztin medizinisch wirkungsvoll. Denn die chemische Reaktion zwischen den radioaktiven Elementen und den übrigen Mineralien wirke sich positiv auf das Gewebesystem aus.

Deswegen hiess das Thermalbad im Volksmund schon immer «Atomska Banja». Bei der Privatisierung vor sechs Jahren hat der neue Besitzer diese Bezeichnung einfach übernommen. Ohne sich offenbar viel dabei zu denken.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 29.07.2014, 16:45 Uhr.

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