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Bauen und Nachhaltigkeit Über 80 Prozent des Schweizer Abfalls entsteht durch Häuserabriss

Hierzulande werden jährlich gegen 4000 Häuser platt gemacht. Jetzt machen junge Architekten gegen den Neubauwahn mobil.

«Schaffe, schaffe, Hüsli baue?» Keine besonders nachhaltige Strategie, wenn man sich die Treibhausgas-Bilanz anschaut. Tatsächlich steht die Baubranche mit 40 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen an der Spitze der Umweltsünder. Das liegt vor allem am Beton: Bei dessen Herstellung geht extrem viel CO2 in die Luft.

Beim Abriss landet mitunter der Beton wieder in der Tonne – und diese ist nicht gerade klein. Mehr als 80 Prozent des Schweizer Abfalls entsteht durch den Abriss von Häusern. Das sind umgerechnet 500 Kilogramm Bauabfall pro Sekunde.

Abriss als Ausnahme

Dagegen setzt sich eine Gruppe junger Schweizer Architektinnen und Architekten ein. Ihre Forderung: Bauten sollten nicht abgerissen und neu gebaut, sondern erhalten, umgenutzt oder renoviert werden. So fiele weniger Bauschutt an, und es würden weniger Treibhausgase freigesetzt.

«In den Medien liegt der Fokus stark auf den einzelnen Konsumierenden. Aber die grossen Sachen gehen vergessen», sagt Leo Faust, einer der Architekten des Kollektivs. Mit einer Ausstellung im Architekturmuseum Basel und einem Online-Projekt will die Gruppe auf die Abriss-Problematik aufmerksam machen.

Ausstellungshinweis

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Die Ausstellung «Abriss» im Architekturmuseum in Basel ist noch bis am 23. Oktober zu sehen. Eine Übersicht über die «todgeweihten» Gebäude in der Schweiz findet man unter «abriss-atlas.ch» .

«Countdown 2030» nennen die jungen Architektinnen und Architekten ihr Kollektiv. Denn sie sind überzeugt, dass noch in diesem Jahrzehnt ein radikales Umdenken nötig sei.

Der Abriss soll zur Ausnahme werden. Aktuell würden in der Schweiz 3000 bis 4000 Gebäude pro Jahr abgerissen, sagt Leo Faust.

Leben auf grossem Fuss

Aber wie sieht es mit dem Appell für bauliches Verdichten aus? Ist die effiziente Platznutzung bei Neubauten nicht viel einfacher? Auch ein Umbau könne baulich verdichten, entgegnen die Kollektiv-Gründer.

Für die Architektin Rahel Dürmüller gibt es bei der Verdichtung eine ganz andere Hürde: «Wir verdichten zwar die bewohnbaren Quadratmeter. Pro Bewohner werden aber immer mehr Quadratmeter gebaut.» Nachhaltig seien 20 bis 30 Quadratmeter pro Person. «Bei der Schweiz sind wir bei 47 Quadratmetern. Das ist einfach zu viel.»

Eine Petition gegen den «Abrisswahn»

Die Architektur-Aktivistinnen fordern einen politischen und gesellschaftlichen Wandel: weg vom Abriss, hin zum Erhalt. Neben der Ausstellung und einer Webseite zu Abriss-Bauten in der Schweiz sind sie auch politisch aktiv geworden.

In ihrer Petition «Fertig mit dem Abrisswahn – Zukunftsfähig Bauen Jetzt» fordern sie Bundesrat und Parlament auf, etwas gegen den Abriss in der Schweiz zu tun. Schliesslich gäbe es für Architektinnen und Architekten auch beim Umbau genug zu tun.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 07.09.2022, 8:06 Uhr.

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