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Begabte Kinder «Oft getrauen sich Eltern nicht, darüber zu sprechen»

Wo steht die Schweiz punkto Begabtenförderung? Expertin Letizia Gauck erklärt, welche Unterrichtsmethoden sinnvoll sind und wie Eltern mit der Hochbegabung ihrer Kinder umgehen.

Letizia Gauck

Fachpsychologin für Psychotherapie

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Letizia Gauck ist spezialisiert auf die Abklärung, Beratung und Therapie im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter. Ihr Schwerpunkt liegt in der Identifikation und Förderung besonderer Begabungen. Sie ist Leiterin des Zentrum für Entwicklungs- und Persönlichkeitspsychologie (ZEPP) der Universität Basel.

Hochbegabte Kinder sollen früher zur Schule gehen können. Welche Erfahrungen macht man damit?

Eine frühere Einschulung kann sehr wirksam sein. Man muss aber genau hinschauen, was für das Kind am besten ist. Die Frage ist, ob es im Kindergarten oder in der ersten Klasse besser seinen Interessen folgen und individueller unterrichtet werden kann.

Eine grosse Rolle spielt, ob es für einen früheren Schuleintritt motiviert ist, aber auch ob die Lehrperson bereit ist, es aufzunehmen.

Was passiert, wenn die Lehrperson gegen einen früheren Schuleintritt oder das Überspringen einer Klasse ist?

In solchen Fällen raten wir den Eltern davon ab oder schlagen ihnen vor, noch einmal das Gespräch mit der Schule zu suchen. Eine gute Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Schule ist für den Erfolg entscheidend.

In «Pullout-Programmen» werden hochbegabte Kinder ein paar Stunden pro Woche separat mit ihresgleichen unterrichtet. Was bringt das?

Das kommt drauf an: Wenn ein Kind vier Stunden und mehr pro Woche seine eigenen Projekte auf hohem Niveau verfolgen kann, dann ist das wirksam. Und je mehr dieser Unterricht mit jenem in der Regelklasse verzahnt ist, desto besser.

Positiv wirkt sich zudem aus, dass es oft erstmals mit anderen Kindern in Kontakt kommt, die ähnliche Interessen haben und ebenfalls schnell lernen. Das ist eine wichtige soziale Erfahrung, die auch der Identitätsentwicklung dient.

Was ist von gesonderten Klasse für hochbegabte Schülerinnen und Schüler zu halten?

Solche Angebote gibt es in der Schweiz heute weniger als auch schon. Man setzt vermehrt auf integrativen Unterricht. Deutsche Studien zeigen, dass Sonderklassen für besonders Begabte wirksam sind: Schülerinnen und Schüler erbringen dort höhere Leistungen.

Es ist allerdings nicht immer einfach, mit solchen Kindern eine funktionierende Lerngemeinschaft zu bilden, haben sie doch in der Regelschule oft demotivierende Erfahrungen gemacht. Wichtig ist auch, dafür zu sorgen, dass sie im Schulhaus sozial nicht ausgeschlossen werden.

Sonderklassen für Begabte – da ist der Vorwurf der Elitenbildung nicht weit. Wie kommt Hochbegabung an?

Das kommt sehr darauf an. Talentförderung im Sport, etwa im Fussball, ist sehr positiv besetzt. Die Eltern dürfen stolz sein. Haben sie ein intellektuell besonders begabtes Kind sieht es anders aus. Oft getrauen sich nicht, darüber zu sprechen, denn sie möchten nicht als hochnäsig oder als «Pushy»- Eltern betrachtet werden.

Eine intellektuelle Elite wird im abstrakten Sinn zwar positiv bewertet, aber wenn das Kind des Nachbarn hochbegabt ist, löst das eher Neid oder Angst um die Zukunft der eigenen Kinder aus.

Das Gespräch führte Sabine Bitter.

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