Bunte Badetücher, so weit das Auge reicht. Von ihren Besitzern aber keine Spur. Die stauben wohl gerade den letzten Pfannkuchen am Frühstücksbuffet ab. Wer kennt ihn nicht, den Frust über reservierte Liegestühle am Hotel-Pool?
Systemversagen wegen Badetüchern
Nicht nur uns, sondern auch Spieltheoretikerinnen, Mikroökonomen und Tourismusforscher interessiert das Phänomen. Einer von ihnen, Alexis Papathanassis, findet klare Worte: «Es geht um Korruption», so der Professor für Touristik an der Hochschule Bremerhaven.
Allerdings komme es darauf an, wie man Korruption definiere, ergänzt Alexis Papathanassis. Er sieht dort eine Korruption, wo negative Effekte entstehen, weil Systeme nicht funktionieren, wie sie sollten – sei es absichtlich oder wegen Inkompetenz. In Bezug auf das «Liegestuhl-Gate» im Urlaub heisst das: «Es ist ein Versagen der Kapazitätsplanung und Steuerung.»
Eingebildetes Gefühl von Knappheit
Liegestühle gäbe es eigentlich genügend, wenn alle Leute nur dann einen Liegestuhl belegen, wenn sie ihn tatsächlich brauchen. Doch, weil so viele Badegäste die Plätze im Voraus – manchmal Stunden, bevor sie sich tatsächlich an die Sonne legen – mit Badetüchern belegen, entstehe ein Gefühl von Knappheit. Wer will schon zu kurz kommen im wohlverdienten Urlaub?
«Es ist ein wahrgenommenes Risiko, das nicht immer da ist. Dieses Denken beeinflusst das Verhalten der Menschen, weshalb ein Gefühl der Knappheit entsteht, wo es eigentlich keine Knappheit gibt», so Papathanassis.
Mensch weg, Tuch weg
Was nun? Mehr Liegestühle hinstellen bringt nicht viel. Denn dann beginnt das Gerangel nicht um einen, sondern um den besten Platz an der Sonne.
Eine Lösung wären konkrete Massnahmen. Bleibt ein Liegestuhl während zwei oder drei Stunden unbenutzt, entfernt eine Aufsichtsperson die Badetücher. Die meisten Befragten fanden solche Massnahmen gut, was Alexis Papathanassis überraschte: «Die Mehrheit findet es in Ordnung, wenn es für alle so gemacht wird. Sprich, wenn alle die gleichen Chancen haben und keiner zu kurz kommt.»
Die deutsche Badetuch-Disziplin
Es liegt also an den Hotelbetreiberinnen und -betreibern, dafür zu sorgen, dass gar nicht erst das Gefühl von Knappheit aufkommt. Bleibt noch eine Frage zu klären: Stimmt der Eindruck, dass vor allem Touristinnen und Touristen aus Deutschland und England schon in den frühen Morgenstunden ihr Revier mit Badetüchern abstecken?
Wissenschaftlich sei dieser Eindruck nicht belegt, sagt Alexis Papathanassis. Vielleicht liege es an gewissen Stereotypen, die man diesen Nationalitäten zuschreibt: «Man muss eine gewisse Hartnäckigkeit und Disziplin haben, um dieses anstrengende Prozedere durchzuziehen: sein Tuch hinlegen, es regelmässig kontrollieren und stets aufpassen, dass es nicht weggenommen wird.»
Es bleibt zu hoffen, dass wir alle entspanntere Urlaubstage am Pool haben, fern von Liegestuhl-Korruption.