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Besuch im Digital Café Senioren im Digitaldschungel: Online, aber hilflos?

Online-Banking einrichten, E-Tickets kaufen oder den Whatsapp-Status updaten: Wie schaffen es ältere Leute, sich nicht abhängen zu lassen?

«Drei Millionen Deutsche waren noch nie im Internet», titelte kürzlich der «Spiegel». Die Vermutung liegt nahe, dass es sich hauptsächlich um Menschen im Rentenalter handelt. Aber: Auch in der Altersgruppe der 16- bis 74-Jährigen war laut Statistischem Bundesamt etwa jede 20. Person noch nie online .

Hierzulande ist das anders: Fast 100 Prozent der Menschen in der Schweiz sind online unterwegs – bis zum Alter von 59 jedenfalls. Bei den über 65-Jährigen sind gut 77 Prozent im Internet aktiv . Der «digitale Graben» verschiebt sich und liegt laut einer Studie von Pro Senectute Schweiz aktuell bei 80 Jahren.

Älteres Paar und junge Frau betrachten gemeinsam ein Tablet auf dem Sofa.
Legende: Mal kurz beim Sohn oder der Enkelin nachfragen – nicht alle Menschen über 65 können oder möchten das. Hier kommt das Digital Café von Pro Senectute ins Spiel. IMAGO / Westend61

Ein Ort, an dem Seniorinnen und Senioren lernen können, sich im digitalen Dschungel zu orientieren, ist das Digital Café von Pro Senectute beider Basel. «Die meisten, die hierherkommen, stellen ganz grundlegende Fragen», erzählt Kursleiterin Line Ammann. Sie studiert Soziale Arbeit und begleitet das Projekt seit eineinhalb Jahren. Teilnehmende wollen wissen, wie QR-Codes funktionieren oder wie man Bilder in den Whatsapp-Status stellt.

Wo gibt's Digital Cafés?

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Das Digital Café von Pro Senectute beider Basel gibt es an sechs Standorten: in Arlesheim, Basel, Laufen, Pratteln und Riehen. Dort bekommt man Antworten und praktische Hilfe von kompetenten Personen. Sie kennen die Stolpersteine des digitalen Alltags und unterstützen und mit der nötigen Geduld. Die genauen Daten gibt es online. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich und das Angebot ist kostenlos.

Ursula, die eigentlich anders heisst, ist 84. Sie möchte wissen, wie man mit Google etwas suchen kann. Ins Mikrofon sprechen möchte sie nicht. Es sei ihr peinlich, dass sie so viele Sachen nicht wisse, sagt sie. Ihren Kindern erzählt sie nicht, dass sie ins Digital Café kommt.

Viele trauen sich nicht

Es gebe eine grosse Scham, weiss auch Line Ammann . Viele Leute würden sich nicht trauen, hierherzukommen. Manche hätten vielleicht Angst, abgestempelt zu werden.

Wie Ursula geht es vielen Senioren, die ins Digital Café kommen. «Viele, die hierherkommen, sind sehr verzweifelt oder sogar ängstlich», sagt Ammann. Gleichzeitig hätten sie das Gefühl, einigermassen mithalten zu müssen, um gewisse alltägliche Dinge erledigen zu können, etwa ÖV-Tickets zu kaufen oder Zahlungen im Online-Banking abzuwickeln.

Personen verschiedener Generationen am Tisch. Eine Frau lacht und sieht auf ein Tablet.
Legende: Die meisten Seniorinnen und Senioren in der Schweiz sind keine «Internetmuffel». Doch manche sind unsicher im Umgang mit digitalen Medien. Pro Senectute beider Basel / Stefan Schmidlin

Die Entwicklung geht zu schnell

Auch die 82-jährige Therese Kleeb, die zum zweiten Mal hier ist, möchte viele digitale Technologien nicht mehr missen. «Dass man online Einzahlungen machen kann, ist toll. Die kann man sonntags erledigen und muss nicht so lange Schlange stehen in der Post.»

Trotzdem fühlt sie sich oft hilflos: Sie hat keine Kinder und weiss nicht, an wen sie sich wenden soll, wenn mal wieder etwas nicht klappt. Sie ist daher froh, dass es das Digital Café gibt. «Dieses Elektronik-Zeug ist so schnell gekommen, dass man total überfordert ist.»

Einige Seniorinnen, die ins Digital Café kommen, seien sehr fit mit digitalen Medien, sagt Kursleiterin Line Ammann. Sie stellen Fragen zu Sprachlernapps, Onlineshopping oder Instagram. Das betont auch Peter Burri Follath, Pressesprecher von Pro Senectute Schweiz.

«Grundsätzlich muss man mit dem Vorurteil aufräumen, dass jeder, der pensioniert ist, keine Ahnung hat von der Online-Welt. Wir haben viele Leute, die hochkompetent und immer auf dem neuesten Stand sind», erklärt Burri Follath.

Jedoch seien rund 20 Prozent der Schweizer Senioren offline, besonders die über 80-Jährigen. Bei dieser Gruppe sei es umso wichtiger, sie abzuholen und noch Alternativen anzubieten. «Auch die öffentlichen Institutionen müssen sich Zeit nehmen, um diese Gruppe nicht abzuhängen», sagt Peter Burri Follath.

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Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktualität, 24.4.2024, 8:06 Uhr ; 

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