Wir sind unterwegs in den Strassen von Sao Paulo zu Criolo, dem Super-Star der brasilianischen Hip-Hop-Szene. Einmal mehr haben wir den Verkehr in der Millionen-Metropole unterschätzt und sind spät dran. Criolo erwartet uns bereits und steht am Gartenzaun vor dem Eingangstor vor seinem Tonstudio. Der 38-jährige Musiker sieht aus wie ein junggebliebener Profi-Golfer. Turnschuhe, Hose, Polo-Shirt – alles in weiss. Criolo lächelt.
Kampf um Gleichberechtigung
In den nächsten drei Stunden lernen wir Criolos Sicht auf Brasilien kennen. Ein Land, das bald Bühne sein wird für den internationalen Fussballzirkus, ein Land das um jeden Preis den wirtschaftlichen Aufschwung weitertreiben will, aber auch ein Land in dem die Chancen sehr ungleich verteilt sind. Criolo kämpft für ein Brasilien, in dem Schwarze die gleichen Möglichkeiten wie Weisse haben. Er prangert die miserablen Zustände im Bildungs- und Gesundheitsbereich an und thematisiert die fehlenden Perspektiven der nächsten Generation.
Sound der Strasse, Sound des Widerstands
Aufgewachsen ist Criolo in Grajaú, ein Armen-Viertel von Sao Paulo. Obwohl er zu den Grossen im brasilianischen Musikgeschäft gehört, bleibt ihm seine Herkunft stets nah. Er rappt, singt, reimt über das Leben auf der Strasse, tieftraurig. Gleichzeitig impft er seinen jungen Fans eine konzentrierte Dosis Hoffnung ein. Der Rap-Poet spricht mit seiner Musik keine Klientel, sondern eine Generation an. Seine Fans wohnen, wie er einst, in den zahlreichen Armenvierteln.
Aber auch die Jugendlichen aus den vornehmen Villenvierteln Sao Paulos hören seine Songs. Im letzten Juni sind Zehntausende auf die Strasse gegangen, sind über die achtspurigen Autostrassen von Sao Paulo gezogen und haben gegen eine korrupte Polit-Elite und für eine neues Brasilien demonstriert. Der Sound dieses Widerstands: die Musik von Criolo.
Ein moderner Prophet
Wer einen Gesprächs-Termin mit Criolo bekommt, geht nicht mit einem Interview nach Hause, sondern hat danach eine Performance im Kasten. Seine Hände tanzen stetig in der Luft, zwischen den Sätzen macht er Pausen die so lange sind, wie das eben Gesagte. Denkt er über eine Frage nach, verkrampft sich sein Körper, er seine stemmen sich gegen das Sitzpolster. Seine Art zu sprechen gleicht der eines modernen Propheten. Den vorbereiteten Gesprächsablauf können wir ziemlich schnell beiseite legen.
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Am Gartentor vor dem Musik-Studio verabschieden wir uns von Criolo. Über unser Präsent – eine bunte Packung mit Schweizer Schokolade – freut sich der brasilianische Rap-Star wie ein kleiner Bub. Criolo lächelt – zum zweiten Mal bei unserer Begegnung.