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Buch «In Putins Kopf» Wie denkt Wladimir Putin?

Ihn hat Putins Einmarsch in die Ukraine nicht erstaunt: Autor Michel Eltchaninoff. Seit Jahren analysiert er, wie Putin seine eigene Logik aufbaut – und Ideen aus der Sowjetunion und Zarenzeit mischt.

Die russische Expansion sei schon länger im Gang, sagt Michel Eltchaninoff, der französische Philosoph und Buchautor mit russischen Wurzeln. Das Anerkennen der Separatistengebiete in der Ostukraine bloss die logische Folge: «Russland will Einfluss haben über seine Landesgrenzen hinaus.»

Eltchaninoff erinnert daran, dass Russland bereits 2008 Georgien angegriffen habe, 2014 dann die Krim annektierte und heute die Separatisten in der Ukraine anerkennt.

In seiner Rede am Montagabend habe Putin klar gemacht, dass er die Ukraine nicht anerkenne. Der nächste Schritt sei wohl, dass das Land aufgeteilt werde. Der Osten der Ukraine werde über kurz oder lang Teil Russlands – mit einem Reststaat Ukraine in der Mitte und im Westen. Nur: Wo führt das hin? Und ist Putin dann am Ziel?

Vorwand: Beschützer Putin

Wohl kaum, sagt Eltchaninoff, der selber zwei Jahre lang in Moskau als Angestellter der französischen Botschaft gelebt hat. «Putin hat eine Langzeitlogik. Bis 2036 kann er Präsident bleiben, er kann also noch viel umsetzen.» Bis jetzt sei er immer gleich vorgegangen: Er greife Nachbarländer an und behaupte, dass man sich bloss verteidige.

So argumentierte Putin bereits bei der Annexion der Krim, die dortige russische Bevölkerung habe beschützt werden müssen. Das gleiche Muster wendet er nun im Ukraine-Konflikt an.

Zwischen Zar und Imperialist

«In Putins Kopf» heisst das Buch von Michel Eltchaninoff. Was ist dieser Putin für ein Mensch? Ein Möchtegern-Zar, ein Imperialist? Er sei ein bisschen von allem: Zar, wenn man die Spanne seiner Regierungszeit anschaue –  Imperialist, wenn man die Art, wie er politisiere anschaue, so Eltchaninoff.

ein Mann kommt durch grosse, goldene Türen
Legende: Langzeitherrscher Wladimir Putin: Seit 2000, mit Unterbrechungen, ist er Präsident – und er will dies bis 2036 bleiben. EPA/ALEXEY DRUGINYN / RIA NOVOSTI / GOVERNMENT PRESS SERVICEPOOL

Faktisch habe er Elemente aus der russischen Geschichte genommen und diese zu einer neuen Logik zusammengebaut. «Putin kritisiert das Revolutionäre in der Sowjetunion, will aber die Erinnerung an ihre Eroberungsgeschichte wachhalten. Er mischt Ideen aus der Sowjetzeit mit jenen aus der Zarenzeit.»

Aus der Sowjetzeit möge Putin die Expansion und den Sieg über Nazi-Deutschland, er verachte aber Lenins Modell der unabhängigen Teilrepubliken.

Unzulässiges NATO-Argument

Putins Argument, seine Politik sei nur die Antwort auf das westliche Militärbündnis Nato, das nach Osten expandiert, findet Eltchaninoff nicht tragbar. «Es ist nicht die Nato, die expandiert, sondern Länder bewerben sich um eine Aufnahme», sagt der Autor.

Diese Länder hätten keine Lust mehr, aus Moskau dominiert zu werden. «Dies vergisst Putin bloss.»

Buchhinweis

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Michel Eltchaninoff: «In Putins Kopf. Die Philosophie eines lupenreinen Demokraten». Klett-Cotta, 2016.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktuell, 23.02.2022, 08:06 Uhr ; 

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