Im australischen Bundesstaat Canberra gilt: Jeder Erwachsene ist verpflichtet, sexuellen Missbrauch bei der Polizei anzuzeigen. Das gilt auch für Priester, die im Beichtstuhl von einer Tat erfahren haben.
Die römisch-katholische Kirche lehnt das ab. Sie verteidigt das Beichtgeheimnis bis jetzt fast überall erfolgreich.
«Grundsätzlich macht es Sinn, ein Berufsgeheimnis zu schützen», sagt Adrian Loretan, Professor für Kirchenrecht an der Universität Luzern. Es sei aber nicht sinnvoll das Beichtgeheimnis zu schützen, wenn es missbraucht werde.
Beichtet beispielsweise ein Geistlicher seine Taten, so steht der Beichtvater unter dem Berufsgeheimnis. «So kann man seinen Vorgesetzten mundtot machen», sagt Adrian Loretan. Das Beichtgeheimnis würde vom Täter missbraucht.
Beichtgeheimnis schützt Täter
Erfährt ein Priester von sexuellem Missbrauch, hat er heute nur eine Möglichkeit: Er kann dem Täter bloss gut zureden, dass sich dieser selbst anzeigt. Er könne ihm zusätzlich noch die Absolution verwehren, erzählt Adrian Loretan. Eine andere Handhabe habe er aber nicht.
Erzählt ein Opfer bei der Beichte von erlittener sexueller Gewalt, könne der Beichtvater auch hier nur gut zureden. Er könne das Opfer ermutigen, die Tat anzuzeigen.
«Das ist aber ein schwieriger Weg», sagt Adrian Loretan. Das Opfer sei meist so zerstört, dass es kaum die Kraft aufbringe, vor einem staatlichen Gericht zu klagen.
Der Staat redet mit
Aus kirchenrechtlicher Sicht sei es schwierig das Beichtgeheimnis zu lockern, sagt Adrian Loretan. Die Gesamtinstitution Kirche gebe vor, wie es anzuwenden sei.
Doch hier habe auch der Staat etwas mitzureden, so Loretan weiter. «Der Staat muss sich die Frage stellen: Kann er im Sinne der Religionsfreiheit alles mittragen, was die Religionen tun?»
Der Staat müsse den Frieden und die individuellen Grundrechte der Menschen schützen, ist der Kirchenrechtler überzeugt. Der Staat könne deshalb eine Güterabwägung machen. Was zählt mehr: kollektive Religionsfreiheit oder individuelle Rechte?
Die Schweiz hat die UN-Konvention über die Rechte der Kinder im Jahr 1997 ratifiziert. Geht es um Kinderrechte, sagt Adrian Loretan müsste der Staat handeln.