- Während des Kalten Krieges fühlte die Schweiz sich durch die Sowjetunion bedroht.
- Ein neues Buch zeigt, wie rabiat Militär und Politik gegen den Kommunismus aufrüsteten.
- Im Geheimen bemühte sich die Schweiz sogar darum, eine Atombombe zu bauen.
Paranoia und das Gefühl einer permanenten militärischen Bedrohung: Das innenpolitische Klima der Schweiz zur Zeit des Kalten Kriegs war bleiern. Es war geprägt davon, dass sich mit den USA und der Sowjetunion zwei ideologische Blöcke unversöhnlich gegenüber standen – mit apokalyptischen Waffenarsenalen im Rücken.
Rabiater Antikommunismus
Der Schweizer Historiker Thomas Buomberger arbeitet diese Zeit in seinem umfangreichen, lehrreichen und gut lesbaren Werk «Die Schweiz im Kalten Krieg» auf. Das Buch macht den rabiaten Antikommunismus erfahrbar, der die Jahre zwischen 1945 und 1990 prägte.
Wer links der bürgerlichen Mitte stand, musste aufpassen, nicht als Verharmloser der Sowjetunion zu gelten. Ansonsten war man verdächtig, und eine Fichierung nicht mehr weit.
Das Böse lauert im Osten
Der kommunistische Osten galt als das Böse schlechthin. Nachdem der Ungarnaufstand 1956 niedergeschlagen wurde, schien eine regelrechte Angstpsychose um sich zu greifen. Überall witterte man kommunistische Verschwörernester.
Besonders ins Fadenkreuz der Kommunisten-Hatz geriet die kommunistische Partei der Arbeit – mochte sie noch so klein und politisch völlig unbedeutend sein.
Allmacht der Bedrohungsszenarien
Buombergers Werk birgt einiges an Diskussionsstoff. Etwa was die militärische Bedrohungslage angeht. Zwar ist heute in Fachkreisen weitgehend unbestritten, dass die Sowjetunion zu keinem Zeitpunkt tatsächlich ernsthaft in Erwägung zog, den Westen zu überfallen und ihn dem kommunistischen Reich einzuverleiben. Der Preis wäre zu hoch gewesen.
In der damaligen Zeit kochte jedoch das Säbelrasseln zwischen den Supermächten regelmässig hoch. Wäre es damals also tatsächlich angezeigt gewesen, mit ähnlicher Gelassenheit davon auszugehen, dass es sowieso keinen Krieg geben würde – so wie es Buomberger aus der Rückschau tut? Zweifel sind erlaubt.
Eine Atombombe für die Schweiz
Ein allemal grosser Verdienst dieses Geschichtsbuch ist es, dass es nachvollziehbar aufzeigt, wie sich das Denken vernebelte: durch die damaligen, aus heutiger Sicht übertriebenen Bedrohungsszenarien. Diese steigerten sich bisweilen in eine eigentliche Hysterie.
Davon zeugen etwa die Anstrengungen der Schweiz, eine eigene Atombombe zu bauen. Gemäss dem Buch von Thomas Buomberger gab es dazu einen geheimen Befehl aus dem Militärdepartement.
Wie – so fragt man sich – hätten die Schweizer Militärs denn in der dicht besiedelten Schweiz einen Atomkrieg führen wollen? Oder wäre die Bombe lediglich zur Abschreckung gedacht gewesen? Und wenn ja: mit welchen neuen Risiken?
Wie aus einer anderen Welt
Die Anstrengungen, mittels derer die helvetischen Behörden einen Atomkrieg überlebbar machen wollten, waren irrsinnig. Die Schilderungen davon muten geradezu an, als würden sie aus einer anderen Welt stammen.
Die Schweiz brachte es gar zu einem fragwürdigen Rekord: In keinem anderen Land der Welt standen am Schluss, gemessen an der Bevölkerung, so viele Luftschutzkeller wie in der Schweiz.
Typisch schweizerisch?
Mit enormer Akribie trafen die Verantwortlichen in Armee und Zivilschutz Vorbereitungen, um ein Ausharren unter Tage über lange Zeit zu ermöglichen. Selbst Anweisungen für Notentbindungen im Bunker gingen nicht vergessen.
Nach der Lektüre von Thomas Buombergers Buch bleibt das Bild einer Schweiz, die sich in den Jahrzehnten des Kalten Kriegs als wenig liberal und tolerant zeigte. Sie entfernte sich damit in besorgniserregendem Ausmass von Grundwerten, die man – damals wie heute – als «typisch schweizerisch» postulierte.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 16.6.17, 9:02 Uhr