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Cambridge Analytica «Ich schäme mich, dass ich nicht gleich gekündigt habe»

Brittany Kaiser arbeitete für die Firma, die die Trump-Wahl und die Brexit-Abstimmung auf illegale Weise beeinflusste.

Ihre Stimme: Tief. In dem, was sie sagt, schwingt manchmal Reue mit, vor allem aber Überzeugung. Heute ist Brittany Kaiser überzeugt davon, dass die Machenschaften von Cambridge Analytica, ihrem ehemaligen Arbeitgeber, falsch waren.

Cambridge Analytica, das ist die Firma, die mit persönlichen Daten von Millionen Facebook-Usern die US-Präsidentschaftswahlen und die Brexit-Abstimmung in England beeinflusste. Das Illegale daran: Die Daten wurden ohne Einwilligung der User benutzt. Das Verwerfliche daran: Die Firma sorgte dafür, dass gewisse Bevölkerungsgruppen gezielt mit Inhalten konfrontiert wurden, die diese massiv in ihrer Wahlentscheidung beeinflussten. Dabei arbeitete Cambridge Analytica mit falschen Informationen und Inhalten, die Hass und Angst schürten.

Brittany Kaiser war mittendrin. Sie war beauftragt damit, die Dienste von Cambridge Analytica dem Kampagnen-Manager des nachmaligen Präsidenten Trump schmackhaft zu machen. Das gelang ihr. Erst nach Trumps Wahl, so sagt sie, wurde ihr bewusst, mit welchen krassen Mitteln ihre Firma arbeitete.

Geld spielte eine Rolle

Geboren ist Brittany Kaiser in Texas, aufgewachsen in Chicago. Schon mit 17 lebte sie in Schottland, als Studentin. Sie arbeitete unter anderem für Amnesty International und für Barack Obamas Medienteam für seine erste Wahl 2008, bevor sie 2015 bei Cambridge Analytica landete. Sie verstand sich bis dann als Aktivistin und Menschenrechtlerin.

Dass sie 2015 nicht wieder im Kampagnenteam der Demokraten mitmachte, anstatt bei Cambridge Analytica einzusteigen, begründet sie so: «Weil ich bezahlte Arbeit brauchte. Das Demokraten-Team konnte mir dies nicht anbieten. Irgendwann muss man etwas machen, für das man bezahlt wird.»

Die unterschätzte Macht von Falschinformation

Sie scheint zu diesem Zeitpunkt noch unterschätzt zu haben, wie mächtig Falschinformation und Angstmacherei in Wahl- und Abstimmungskämpfen sind. Gefragt, ob sie damals nicht Skrupel hatte, für die Wahl von Trump und die Annahme von Brexit zu arbeiten, sagt sie: «Ich hätte in beiden Fällen nie gedacht, dass wir wirklich erfolgreich sein würden.»

Gleichzeitig unterschätzte sie wohl, wie skrupellos ihre Firma vorging. Diese Erkenntnis kam später: «Der erste Auslöser war circa einen Monat, nachdem Trump gewählt wurde. Meine KollegInnen, die während der Kampagne an den zielgerichteten Videos gearbeitet hatten, gaben uns eine lange Präsentation darüber, was sie genau gemacht hatten. Ich fiel aus allen Wolken, es war so schrecklich.»

Der Weg zurück zur Aktivistin

In ihrem Arbeitsalltag bei Cambridge Analytica hatte sie auch Gespräche ihrer Chefs mitbekommen, in denen sie sich über die politischen Auswirkungen ihrer Kampagne amüsierten: «Ich schäme mich dafür, dass ich da mitgelacht habe. Und dafür, dass ich danach nicht gleich gekündigt habe.»

Rückblickend bereut sie auch, dass sie nicht an die Öffentlichkeit ging, «dass ich nicht alles schon vor Trumps Wahl und dem Brexit aufgedeckt habe.» Das tat sie erst später. Nachdem die Machenschaften von Cambridge Analytica öffentlich geworden waren, sagte sie im April 2018 vor dem britischen Parlament aus.

Fast gleichzeitig startete sie eine Kampagne, die sich dafür einsetzt, dass jeder einzelne der Besitzer seiner Daten sein soll. «OwnYourData» heisst ihre Kampagne. Den Slogan trägt sie heute an einer Halskette immer mit sich.

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