Möwen segeln über einem Park am Ufer des Marmarameeres im Istanbuler Stadtteil Yesilköy. San Stefano hiess dieser Ort vor 100 Jahren noch, er lag ausserhalb von Konstantinopel.
Eine verfallene Kapelle und ein paar alte Grabsteine in einer Ecke des Parks erinnern daran, dass hier einst viele Christen lebten – Griechen, Armenier, Katholiken. Hier an dieser Stelle soll nun wieder eine Kirche für die syrisch-orthodoxen Gemeinde errichtet werden – der erste Kirchenneubau in der Geschichte der Türkischen Republik.
Eine Kirche für 17'000 Seelen
«Seit sieben Jahren bemühen wir uns um ein Baugrundstück und eine Baugenehmigung, und nun haben wir endlich alle Hürden überwunden und die Baugenehmigung in Händen», erzählt der Gemeindeälteste Sait Susin. «Sobald das Wetter es erlaubt, werden wir den ersten Spatenstich tun, voraussichtlich im März.»
Susin ist Vorsitzender der syrisch-orthodoxen Kirchengemeinde von Istanbul, die freilich nichts mit dem modernen Staat Syrien zu tun hat: Die Kirche stammt aus dem ersten Jahrhundert nach Christus und hat ihre Wurzeln im nördlichen Mesopotamien auf heute türkischem Staatsgebiet.
Die Gemeindemitglieder in Istanbul sind aramäische Christen, die im letzten Jahrhundert aus ihren angestammten Siedlungsgebieten geflohen waren – rund 17'000 Seelen, die eine eigene Kirche brauchten.
Probleme macht der Friedhof
Mit dem Wunsch nach einem Kirchen-Neubau betrat die Gemeinde politisches Neuland: Das hat es seit der Gründung der Türkischen Republik im Jahr 1923 nicht gegeben.
Zunächst lief alles glatt, erzählt Susin: Die türkische Regierung teilte der Gemeinde sogar kostenlos ein Baugrundstück für ihre Kirche zu. Doch damit gingen die Schwierigkeiten los. Bei einem Teil des Grundstücks handelte es sich um einen früheren katholischen Friedhof.
Eine teure «Spende»
Die Stadt Istanbul verweist auf gesetzliche Bestimmungen, wonach Friedhöfe an die öffentliche Hand zurückfallen, wenn sie seit mehr als 50 Jahren nicht mehr genutzt werden – in diesem Fall sind es schon an die hundert Jahre.
Katholische Kirchenvertreter sahen das anders und klagten auf Herausgabe des Grundstücks – obwohl sie es ursprünglich selbst für den Kirchenbau vorgeschlagen hatten, wie Sait Susin anmerkt. Doch dann wechselte der zuständige Priester, und nun windet sich der Prozess schon seit Jahren durch die Instanzen, ein Ende ist nicht absehbar.
Inzwischen mussten die Aramäer weiter warten – und riefen in ihrer Verzweiflung den Papst an. Der vatikanische Botschafter in der Türkei handelte schliesslich einen Deal aus, für den die aramäische Gemeinde ziemlich tief in die Tasche greifen muss. Mehrere 100'000 Euro mussten die Aramäer den Katholiken «spenden», damit diese die einstweilige Verfügung gegen den Baubeginn zurückzogen.
Unterstützung von türkischer Regierung
Die Einigung dürfte ein grösseres Loch in die Kasse der Aramäer gerissen haben, die den Kirchenbau komplett mit Spenden aus der Gemeinde bestreiten. Mit den türkischen Behörden gab es weniger Probleme. «Wir haben von den Behörden nur Unterstützung erfahren bei diesem Projekt, von der Regierung bis zur Stadtverwaltung», sagt Susin.
Im Ausland sei das weniger bekannt, fügt der Gemeindevorsitzende hinzu, aber den Christen gehe es unter der AKP-Regierung besser als je zuvor in der Türkischen Republik. «Wir dürfen heute eigene Schulen eröffnen und eine Kirche bauen. Davon konnten wir bis in die 90er Jahre nicht einmal träumen.»