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Corona als Chance für Reformen Ein Priester allein macht noch keine Kirche

Nicht-geweihtes Kirchenpersonal spielt in der römisch-katholischen Kirche eine tragende Rolle, gerade in Zeiten von Corona. Im Kirchenrecht spiegelt sich das aber kaum. Es ist Zeit für Reformen, sagt ein Theologe.

Die Corona-Krise fördert eine Grundproblematik der römisch-katholischen Kirche zutage: Die Abhängigkeit von geweihten Priestern. Sie braucht es als Zelebranten der Messe. Auf der anderen Seite steht das mündige Gottesvolk, das die Kirche auf allen Ebenen am Leben erhält.

Kreative Kirchenarbeit

Angesichts des öffentlichen Gottesdienst-Verbots zeigen gerade alle Getauften höchst kreativ, wo Kirche ist. Nämlich dort, wo die Menschen sind.

Pastoralreferentinnen leisten Telefonseelsorge. Theologen stellen Kummerkästen im Internet auf. Nicht geweihte Seelsorgende bestatten, trösten, beten und leisten Sozialarbeit in ihren Gemeinden.

Damit erfüllten nicht-geweihte Männer und Frauen, gemeinsam mit den geweihten Priestern, den Auftrag des Evangeliums, sagt Daniel Bogner, Professor für Moraltheologie und theologische Ethik an der Universität Freiburg.

Geistermessen vs. Ermächtigung aller

Zeitgleich feiern Priester fast allein sogenannte Geistermessen ohne Gemeinde. Das sei ein Rückfall in ein überkommenes Verständnis von Gottesdienst und Kirche, kritisiert Daniel Bogner: «Eucharistie ist doch die Feier der Gemeinschaft.»

Aber durch die Youtube-Übertragungen aus leeren Kirchen feiert das veraltete Bild einer «Priesterkirche», die keine Gläubige braucht, fröhliche Urständ.

Wird also die Ermächtigung aller Getauften durch die Krise wieder zurückgedreht? Im Gegenteil, meint der Freiburger Theologieprofessor Bogner: Die Krise bringe «eine ganze Kohorte» Gläubige hervor, die nun noch mehr das Selbstbewusstsein gewinnen: «Wir sind Kirche.»

Daniel Bogner mahnt dazu, die tragende Rolle der Laien, also des nicht-geweihten Kirchenpersonals, endlich auch in kirchenrechtliche Formen zu giessen. Ihr unklarer Status in der Kirchenhierarchie verunsichere alle.

Wunsch nach mehr Spielraum

Auch was den Handlungsspielraum des Kirchenpersonals generell angeht, wünschen sich viele Reformen. So dürfen laut Vatikan etwa Frauen in der Messe nicht «predigen», tun dies aber überall im Bistum. Eine Zwickmühle.

Weg aus der Zwickmühle: Das Beispiel Basel

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Das Bistum Basel hat zum Beispiel bezüglich der Rolle nicht-geweihter Frauen einen Schritt gemacht: Es nennt seine vollstudierten Mitarbeitenden nicht mehr «Laientheologinnen», sondern Seelsorgerinnen.

Einerseits nutzen Pfarreien Freiräume, die ihnen Bischöfe hierzulande eröffnen. Andererseits leben sie in Angst, dass traditionalistische Gemeindeglieder sie beim Bischof anschwärzen, wenn sie Dinge tun, die sie eigentlich nicht dürften: zum Beispiel Frauen predigen lassen oder Homosexuelle segnen.

Die Unsicherheit, was erlaubt sei und was nicht, belaste die gleichstellungswilligen Priester, weiss Daniel Bogner: «Mir schreiben Priester aus der Burnout-Therapie. Das ist verhängnisvoll und kann nicht der Weg sein.»

Es mache die Leute nicht nur krank, «das entspricht auch nicht der Würde eines mündigen Kirchenmitglieds», so Bogner. Es müsse darum gehen, den Auftrag des Evangeliums in der Praxis zu erfüllen.

Reformen von oben

Aber: Ist diese so hierarchisch strukturierte «Bischofskirche», wie die römisch-katholische Kirche eine ist, überhaupt reformierbar?

Durchaus, sagt Bogner, wenn man genau diese Struktur nutze: Diözesanbischöfe sollten ihren fast «monarchischen» Gestaltungsspielraum endlich auch für die Erneuerung nutzten.

«Auch jeder Schweizer Bischof hat eine Stimme. Wenn Bischöfe sich zusammentun, auch mit Bischöfen anderer Kontinente, dann hat das Gewicht.»

Reformwillige Ortsbischöfe müssten sich dazu jetzt einfach mal «ermannen». Papst Franziskus selbst hat sie bereits dazu ermuntert.

Radio SRF 2 Kultur, Perspektiven, 3.5. 2020, 8:30 Uhr

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