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Cottagecore
Aus 100 Sekunden Wissen vom 10.09.2020. Bild: SRF / Sebastien Thibault
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#Cottagecore Warum wir das Landleben wieder lieben

Karohemd statt Anzug, Gummistiefel statt High Heels: Landliebe wird auf den sozialen Medien als Trend gefeiert – unter neuem Namen.

Wer noch vor ein paar Jahren Brot backte, «Rüebli» heranzog und sich um seine Hühner Elsa und Lotti kümmerte, der war ein Rebell oder über 50 Jahre alt. Wenn heute Generation Y und Z töpfern und Kohl anpflanzen, dann schwimmen sie mit dem Strom.

Dabei ist ein Trend nur halb so verlockend ohne ein passendes Branding. Landliebe heisst jetzt «Cottagecore». Zusammengesetzt aus Cottage und Hardcore, die volle Ladung Hüttencharme also.

Auf Tiktok wurden Posts mit dem Hashtag Cottagecore schon 3.8 Milliarden Mal angeschaut, auf Instagram gibt es 670'000 Beiträge dazu – und jeden Tag werden es mehr.

Das Motiv: Warum wir uns nach #Cottagecore sehnen

Land vor Stadt. Gerade jetzt zeigt sich die Stadt nicht von ihrer attraktivsten Seite. Stand das Landleben vorher noch unscheinbar und schüchtern neben der verheissungsvollen Stadt, scheint es plötzlich wieder attraktiv.

Cottagecore gibt uns Halt, sinnvolle Aufgaben, die wir anpacken können. Der Landliebe-Trend bietet uns die Flucht in eine heile Welt – und die können wir gerade jetzt gut gebrauchen.

Die Ästhetik: Wie wir nach #Cottagecore aussehen

Dank ländlicher Mode und Einrichtung kann sich auch ein Städter mit einem Cottagecore-Hashtag versehen. Spitze statt Leder, lockere Leinen und Karohemden statt enger Anzüge. Wer die Mühe nicht scheut, flechtet sich Bänder und Blumen ins Haar.

Raus aus den High Heels und Hochglanzschuhen, rein in die Gummistiefel – oder gleich barfuss. Und wer auf Instagram nach einem männlichen Cottagecore-Vorbild Ausschau hält, der kommt bei David Beckham auf seine Kosten: von «Kick it like Beckham» zu «Strick it like Beckham».

Der ehemalige Fussballstar zeigt sich mit Schiebermütze und Strickcardigan und ist nicht nur auf den Hund, sondern auch auf den Wanderstock gekommen.

Bei der Einrichtung lässt sich Cottagecore mit unserer neuen Liebe fürs Alte (dem Vintage-Trend) verbinden. Alte Möbel garniert mit ein paar frischen oder getrockneten Blumen, Bildern und Porzellantellern aus dem Brocki. Und schon verwandelt sich das Stadt-Loft in ein Chalet am Ende der Welt.

Die Freizeit: Wie wir #Cottagecore leben

Mit der Landliebe tun sich auch völlig vergessene Felder der Freizeitgestaltung wieder auf. Die Influencer von heute machen es vor: Sie stricken, backen Hefezopf und posieren mit Kühen. Die Landliebe führt weg vom Abstrakten, hin zum Handfesten. Töpfern, kochen, einen Kompost bauen.

Wir möchten uns wieder um Pflanzen und Tiere kümmern, um uns von dem Zoom-Meeting-Marathon zu erholen. Und wann lässt es sich besser picknicken auf dem Land als jetzt: Warmes Wetter, genügend Platz und keine Maskenpflicht.

Und für alle, die sich gerade gefragt haben, was denn David Beckham so macht: Auch er liegt in seinem Landhaus nicht auf der faulen Haut herum. Er macht Regenspaziergänge mit Kind und Hund oder zimmert sein eigenes Bienenhäuschen.

Cottagecore bietet uns Zuflucht, wir entdecken wieder die Liebe zum Einfachen. Aber ob die Cottagecore-Bewegung gekommen ist, um zu bleiben, oder doch nur eine kurzlebige Flucht ins Grüne war, sehen wir wohl erst, wenn auch die Stadt wieder zur Verführerin wird.

Sendung: Radio SRF2 Kultur, 100 Sekunden Wissen, 10.09.2020, 06:54 Uhr

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