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«Cuisine sans frontières» Die mit dem Kochlöffel für den Frieden kämpfen

Ein Zürcher Verein baut in Krisengebieten Gastro-Treffpunkte auf. SRF-Moderatorin Monika Schärer hat in Kenia mitgekocht.

Der Güggel nervt mich. Ohne sein Kikiriki wäre es wunderbar still an diesem Morgen im Busch in Orwa, Kenia. Das kleine Dorf in West Pokot liegt gut zehn Fahrstunden entfernt von der Hauptstadt Nairobi und weitab der bekannten Touristenorte.

Ich bin für zwei Monate hier als Volontärin für Cuisine sans frontières. Zusammen mit den Ziegen beobachte ich Simion, der auf dem staubigen Boden vor dem Calabash den Abfall der gestrigen Busch-Disco zusammenfegt.

Das ist «Cuisine sans frontières»

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Die 2005 gegründete gemeinnützige Organisation hat sich der Friedensarbeit in Krisengebieten und Bekämpfung der Armut auf die Fahne geschrieben.

Erreicht werden soll das auf praktischem Wege: In der Gemeinschaftsküche für verfehdete Gruppen, in Kochschulen in armen Gebieten oder der Bäckerei im Gefängnis sollen Menschen zusammenarbeiten und zusammenfinden, bestenfalls ins Gespräch kommen.

Cuisine sans frontières (csf) beschäftigt wenig festes Personal, sondern setzt auf die Mitarbeit von Freiwilligen, lokale Partner vor Ort und Kooperation mit anderen Hilfswerken.

Aktuelle csf-Projekte finden sich in Ecuador, Brasilien, Griechenland, Libanon, Kenia, Kongo, Kolumbien, Österreich und der Schweiz.

Wo Feinde sich treffen

Das Calabash, ein Gemeinschaftszentrum mit Restaurant und einfachen Übernachtungsmöglichkeiten, ist ein Friedensprojekt von Cuisine sans frontières, der Küche ohne Grenzen.

Der Verein, gegründet von Zürcher Köchen, baut seit 2005 in Konfliktgebieten gastronomische Treffpunkte auf. Gemeinsam essen, gemeinsam kochen fördert den Frieden.

Das Calabash in Kenia ist eines der Vorzeigeprojekte von Cuisine sans frontières. Seit acht Jahren begegnen sich hier die beiden verfeindeten Volksgruppen Pokot und Turkana auf Augenhöhe.

Hier trifft sich Chief Sara, Chefin der Turkana, mit Chief Daniel der Pokot zu Friedensgesprächen. Seit Oktober herrscht wieder Ruhe. Die Chiefs sprechen sich ab, damit sich die Clans nicht gegenseitig die Rinder oder Ziegen stehlen. Das zeigt Wirkung.

Pizza, Pasta und Polenta

Im Calabash Team arbeiten acht Leute, alle aus der Gegend, alle Pokot oder Turkana. Winnie ist die Managerin. Sie führt das Calabash seit gut einem Jahr erfolgreich und fast selbsttragend.

Katu ist für die Küche zuständig. 2015 war er für ein Praktikum in Zürich. Gästen aus dem Ausland macht er auf Wunsch Holzofen-Pizza und Pasta. Die Einheimischen bevorzugen Ugali, eine Art Polenta.

Eine schwarze Frau an einem Holztisch, auf dem sich ein Taschenrechner, Geldbündel und Glas Orangensaft befinden.
Legende: Ganz schön umtriebig: Winnie, die Managerin und gute Seele des Calabash. Monika Schärer

Gegen zehn Uhr kommen die ersten Jungs aus den umliegenden Dörfern. Sie nutzen das Calabash als Aufenthaltsort und als Ladestation für ihre Handys.

Am Tisch vor dem Fernseher sitzen die meist arbeitslosen Männer. Sie warten darauf, dass Winnie sich ihrer erbarmt und endlich den Fernseher anstellt fürs Fussballspiel oder die beliebte TV-Soap «Selina».

Für das Mittagessen hat sich der Polizeivorsteher von Orwa angemeldet. Gestern war es der Lehrer. Sie alle schätzen die Mahlzeiten, die Katu hier im Niemandsland frisch zubereitet.

Winnie und die Weissen

Ins Calabash kommen aber auch viele, die nichts konsumieren. Sie kommen zum Schauen. Muzungu, Weisse wie ich und Lena, die ebenfalls als Freiwillige aus der Schweiz im Einsatz ist, sind bevorzugte Beobachtungsobjekte.

Im Auftrag von Cuisine sans frontières unterstützen wir Winnie bei der Kommunikation für das Calabash und seine wichtige Friedensaufgabe für die Gegend.

In Nairobi haben wir zu dritt Reisebüros besucht und Broschüren über das Calabash verteilt. Nun hoffen wir, dass mehr Besucher aus Nairobi und neugierige Touristen in diese unbekannte Ecke Kenias kommen.

Chance Schönheitswettbewerb

Die nächsten zwei Woche stecken wir mitten in den Vorbereitungen für eine Beauty-Show. Schönheitswettbewerbe sind bei allen Bevölkerungsgruppen beliebt, bringen die Menschen zusammen.

Am 21. Dezember werden je vier junge, unverheiratete Frauen der Pokot, Turkana und Marakwet im Calabash gemeinsam auftreten – in traditionellen Trachten, aber auch in Alltagskleidern, um ihre Gemeinsamkeiten zu unterstreichen.

Die Beauty-Show war Winnies Idee. Sie passt bestens zur Philosophie von Cuisine sans frontières. Die zwölf Kandidatinnen werden eine Woche im Calabash einquartiert. Sie proben gemeinsam für die Show, essen gemeinsam, schlafen in einem Schlafsaal und lernen sich gegenseitig besser kennen.

Lena und ich werden mit dem Calabash-Team unter dem Akazienbaum die Bühne aufbauen. Für die Dekoration haben wir einige Meter farbigen Stoff gekauft.

Bunt soll es werden. Und fröhlich. Wir erwarten über 200 Gäste. Die meisten kommen aus der Umgebung. Chief Sara und Chief Daniel haben sich angekündigt. Einige wenige aus Nairobi werden erstmals eine Reise nach West Pokot unternehmen.

Winnie hat bereits vier Ziegen, Mbuzi, gekauft. Sie grasen friedlich vor der Calabash. Katu wird einen Ziegen-Eintopf zubereiten, natürlich mit Ugali. Als Älteste vor Ort werde ich Einsitz in der Jury der Beauty-Show nehmen. Lena wird hinter der Bar mithelfen. Und wir alle werden am Abend gemeinsam essen und trinken – ganz im Sinne von Cuisine sans frontières.

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