Wenn es um die Natur geht, kennt dieser Vater kein Pardon. Er rügt seine Tochter, als sie eine Blume ausreisst: «Wir nehmen nur, was wir brauchen», sagt Russel Crowe alias Noah zu Beginn des gleichnamigen Films. Eine noble Haltung. Es ist der Noah vor der Sintflut, notabene.
Tatsächlich beginnt die Menschwerdung mit dem berühmten Verdikt aus der Genesis: «… bevölkert die Erde, unterwerft sie euch!». Dennoch soll es zu Beginn der Schöpfungsgeschichte keine Gewalt gegeben haben zwischen Mensch und Mensch, nicht zwischen Mensch und Tier, nicht einmal zwischen Tier und Tier, bestätigt der Theologe und Alttestamentler Konrad Schmid. Die ersten Menschen und Tiere ernährten sich ausnahmslos von vegetarischen Speisen. Doch die Gewalt nimmt im Lauf der Geschichte zu, bis hin zum Brudermord von Kain und Abel. Sie nimmt überhand, und Gott beschliesst die Sintflut.
Die Bibel entwirft keine Utopie, sie will erklären
Erst nachdem Noah und die Tiere der Arche gerettet worden sind, heisst es klipp und klar: «Alles Lebendige, das sich regt, soll euch zur Nahrung dienen.» (Genesis 9,3). Natürlich könne man sich wünschen, man wäre beim Vegetarismus geblieben, sagt Konrad Schmid: «Dass die Bibel sich hier anders entscheidet, hängt damit zusammen, dass sie nicht einfach irgendeine Utopie entwerfen will. Sondern dass die Bibel erklären will, wieso die Welt ist, wie sie ist. Wieso gibt es Gewalt unter Menschen? Wieso essen Löwen Antilopen? Wieso essen Menschen Fleisch? Das war schon zur Abfassung der Geschichte damals so, und das ist heute noch so. Und das möchte die Bibel erklären.»
Tiere waren eine Bedrohung für Menschen
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«Überhaupt, in der Urgeschichte der Bibel erweist sich das Verhältnis zwischen Mensch und Tier als grundlegendes Problem. Zur Zeit ihrer Entstehung vor zweieinhalbtausend Jahren seien die Tiere immer auch eine Bedrohung für die Menschen gewesen – heute ist das natürlich umgekehrt.
Doch die Geschichte mit dem Fleischkonsum in der Genesis ist noch nicht gegessen. Im weiteren Verlauf der Bibelgeschichte kommen Einschränkungen hinzu: «Mit dem Aufkommen der Reinheitsgebote, die Mose am Sinai gegeben werden, wird wieder eine Restriktion eingebaut: ‹Ihr dürft nicht alles essen, sondern nur die reinen Tiere.› Ich denke, man darf das so interpretieren, dass durch die Einschränkung des Fleischkonsums mit diesen Reinheitsgeboten gewissermassen ein Teil der guten Schöpfung vor der Flut restituiert wird.»
«Reine» und «unreine» Tiere
Warum unterscheidet die Genesis zwischen «reinen» und «unreinen» Tieren? Die Unterscheidung sei im Buch Leviticus getroffen worden. Man habe immer versucht, den Unterschied zoologisch zu definieren. Doch es gebe keine strikte Kategorisierung, wann ein Tier rein sei und wann nicht. «Am ehesten scheint der Gedanke eine Rolle zu spielen, dass ein Tier seiner Art entsprechen muss, damit es rein ist. Also ein Fisch, der Schuppen hat, ist rein. Ein Fisch, der Haut hat, ist unrein. Ein Vogel, der nicht fliegen kann, ist nicht rein, ein Vogel, der fliegen kann, ist rein», so der Theologe Konrad Schmid.
Wir sollen nur nehmen, was wir brauchen. Ja, aber was brauchen wir? Brauchen wir Fleisch? Müssen Menschen Tiere essen? Hierzulande geben meist nicht religiöse Vorschriften Antworten auf diese Fragen, sondern unser Gewissen und – naja, unser Geschmack.