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Gesellschaft & Religion Denkt über den Drogenrausch nach!

«Im Haschisch sind wir geniessende Prosawesen höchster Potenz.» Nicht nur Walter Benjamin versuchte, «den Rätseln des Rauschglücks» näherzukommen. Der Umgang mit Drogen beschäftigte viele grosse Denker. Bis heute. Warum ein differenziertes Nachdenken über den Rausch wichtig ist.

Meist verläuft der aktuelle Diskurs über Rausch und Drogen einseitig, selbstgerecht, grenzt aus, bedient Feindbilder. Doch es gibt auch Seiten des Rauschs, die durch das aktuelle Raster öffentlicher Wahrnehmung fallen.

Detlef Berentzen

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Der deutsche Schriftsteller und Journalist Detlef Berentzen wurde 1952 in Bielefeld geboren. Ab 1981 schrieb er für die «taz», seit 1987 ist er als freier Journalist und Autor tätig.

Diese Debatte war dem einstigen Basler Professor Friedrich Nietzsche wichtig: «Damit es Kunst giebt, damit es irgend ein ästhetisches Thun und Schauern giebt, dazu ist eine physiologische Vorbedingung unumgänglich: der R a u s c h. Der Rausch muß erst die Erregbarkeit der ganzen Maschine gesteigert haben: eher kommt es zu keiner Kunst ...»

Walter Benjamins Haschischexperimente

Ob Farben- oder Schaffensrausch, ob Glücksrausch durch körpereigene Opiate oder ein Rausch durch Wein oder andere psychoaktive Substanzen: Das berauschte Denken erreicht mitunter neue Horizonte, flieht aus der Enge des Alltäglichen, überschreitet Grenzen. Es gleitet aus der Spannung in die Entspannung, stösst Türen auf, die bislang verschlossen schienen. Findet jene Sätze, deren Poetik mich schon bei der Lektüre von Walter Benjamins Schriften zu seinen «Haschischexperimenten» begeisterte. Nach strengen Ritualen fanden diese statt, meistens unter kundiger ärztlicher Aufsicht. Sie bewirkten ganz eigene Erfahrungen: «Man fühlt im Lächeln sich kleine Flügel wachsen. Lächeln und Flattern sind verwandt. Eine Art Spitzentanz der Vernunft.»

Bewusstseinserweiterte Denker

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Nicht nur der Weingott Dionysos, sondern auch Friedrich Nietzsche und Walter Benjamin, Ernst Bloch, Immanuel Kant, G.W.F. Hegel, Sigmund Freud und Ernst Jünger: Sie alle hatten Umgang mit Drogen.

1928 gesellt sich der Philosoph Ernst Bloch zu Benjamins Versuchsanordnung. Auch er neugierig genug. Ich sehe beide vor mir in der Wohnung Kurfürstenstrasse zu Berlin, sehe zwei, die mich schon ein Leben lang begleiten, kein Eskapsimus, der sie treibt, sie wollen weiter, einen Schritt weiter, schreiben sich auf. Bloch: «Es ist jetzt als ob mich etwas an die Hand nähme. Zu dem gesuchten Spalt im Fels.»

Suche und Sucht

Es geht um diesen «Spalt». Auch um den Felsen. Auch um die Mühen des Sisyphos, die Albert Camus so eindrücklich beschreibt. Es geht um Suche, auch um Sucht. Es geht um eine Suche, die das Immergleiche des normierten Alltags überwinden will.

Schon lange scheint der Rausch ein probates Mittel für derlei Transzendenz – und war deshalb nicht wenigen Denkern einen Versuch wert. Ihre Suche sollte uns provozieren. Wenn schon nicht zum Rausch, dann zu einem differenzierten Denken darüber.

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