Die Ausstellung über die Schweiz im Ersten Weltkrieg wird in Basel eröffnet. Nicht zufällig: In der Grenzstadt am Dreiländereck erlebte die Bevölkerung das Kriegsgeschehen ganz nah. Sie hörte die Schüsse vom Hartmannsweilerkopf im Elsass, wo Tausende von deutschen und französischen Soldaten ihr Leben verloren. Und Basel war auch Schauplatz einer Massenemigration: Die italienischen Arbeitskräfte, die im Deutschen Kaiserreich gearbeitet hatten, reisten über Basel aus.
Schokolade als Trost für Freund und Feind
Die Schweiz war im Krieg international stark verflochten, wie etwa die wirtschaftlichen Beziehungen zeigen. So lieferte die chemische Industrie Farbstoffe für Textilien, als alle Herren Länder die Produktion von Armeeuniformen hochfuhren. In der Schweizer Maschinenindustrie füllten sich die Auftragsbücher. Und nicht zuletzt war die Schweizer Schokolade ein Exportschlager: ein kleiner Trost für Freund und Feind im Feld.
Schweizerinnen in fremdem Kriegsdienst
Der Blick ist auf die Akteure gerichtet, denn, so sagt der Historiker vom Projektleitungsteam, Patrick Kury: «Geschichte wird von Menschen gemacht.» Dabei rücken Persönlichkeiten in den Vordergrund wie Gustav Ador, der das Internationale Komitee vom Roten Kreuz präsidierte und 1917 Bundesrat wurde.
Die Darstellung des Landes im Krieg beschränkt sich aber nicht auf den Auftritt berühmter Männer. So wird klar, dass es vor allem Schweizerinnen waren, die den Schrecken und die Brutalität dieses Kriegs aus nächster Nähe erlebten: Hunderte von Pflegerinnen waren in Militärspitälern auf den europäischen Kriegsschauplätzen im Einsatz. Sie standen an Operationstischen, Krankenbetten und vor Totenbahren. Was sie dort sahen, hielten sie in Briefen und Tagebüchern fest.
Grosse soziale Spannungen
Während des Ersten Weltkriegs nahm die Armut im Land zu. Das barg sozialpolitischen Zündstoff. Wer als Soldat an der Grenze stand, hatte kein Einkommen.
Viele Familien mussten deshalb bei den Behörden vorstellig werden, um Lebensmittel zu bekommen. Gegen Kriegsende forderte die Bevölkerung mit Massendemonstrationen immer lauter eine Linderung der Not, bis es 1918 zum Landesstreik kam.
Bruch im modernen Bundesstaat
Die Schweiz war als neutraler Kleinstaat nicht am Ersten Weltkrieg beteiligt. Trotzdem machte er den grössten Bruch in der Geschichte des Landes seit der Gründung des Bundesstaats 1848 aus, sagt der Historiker Patrick Kury.
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So setzte die Schliessung der Grenzen dem bis dahin freien Personenverkehr schlagartig und für lange ein Ende. Ausserdem sind viele sozialpolitischen Errungenschaften wie der Erwerbsersatz für Soldaten und die Alters- und Invalidenrente auf die Erfahrungen der Not im Ersten Weltkrieg zurückzuführen.
Fremdenpolizei und Bienenfütterung
Auffallend ist auch, dass die Eingriffe des Staats stärker wurden im Bemühen darum, das Land zusammenzuhalten. So wurde per Notstandsgesetz ein neuer Verwaltungsapparat geschaffen, vom Amt für Wasserwirtschaft bis zur Fremdenpolizei.
Der Staat versuchte, mit tausend akribischen Verordnungen die Oberhand zu behalten. Da ging es um die eintägige Aufbewahrungspflicht für frisches Brot ebenso wie um die Fütterung der heimischen Bienenvölker mit Zucker.
Welt der schönen Bilder
Die Ausstellung bietet auf kleinem Raum viel Information und vermittelt sie leicht mit audiovisuellen Mitteln. In Hörstücken lassen sich die damaligen innenpolitischen Debatten über das «Wesen» der Deutschschweizer und der Welschen verfolgen.
Stummfilme zeigen, wie die Schweizer Armee mobil machte. Grossflächigen Fotografien ist zu entnehmen, dass sich die Soldaten im Gebirge die Langeweile mit Schwingen vertrieben. Und überhaupt viel Zeit hatten: So schöne Aufnahmen unversehrter Landschaften konnten die Soldaten der kriegsführenden Länder jedenfalls nicht aufs Bild bannen.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktualität, 22.8.2014, 17:10 Uhr.