Mit allen Mitteln rüsteten die Nationen im Sommer 1914 zum Krieg. Die grosse «Entschlossenheit» der Soldaten im August 1914 zerfiel bald, sagt der französische Historiker Bruno Cabanes, der an der Yale University in den USA arbeitet. Denn die Armeen erreichten die ehrgeizigen Ziele nicht. Umso wichtiger war es in diesem Krieg, der auch ein Propagandakrieg war, die vaterländische Gesinnung der Bevölkerung ständig zu schüren.
Krieg und Kitsch
Dass der Krieg den Alltag der Zivilbevölkerung bis ins Detail erfasste, lässt sich auch an einem trivialen Phänomen ablesen: am Kriegskitsch. In vielen Ländern produzierten Souvenirhändler ein vielfältiges Sortiment an nationalistischem Nippes. Es gab Bierkrüge mit Abbildungen von nationalen Symbolen, Schokoladedosen mit Gefechtsszenen, Christbaumkugeln mit dem Bild des Generals Hindenburg, Gedenkteller von militärischen Ereignissen wie der Einnahme von Antwerpen durch deutsche Truppen.
Und findige Köpfe entwickelten sogar Kinderspielzeug mit Kriegsmotiven: In England kam zum Beispiel ein flipperkastenartiges Geschicklichkeitsspiel namens «Schützengraben-Fussball» auf den Markt. Ein französisches Klötzchen-Legespiel zeigt als Bildmotiv eine Szene mit einem Kind, das deutsche Soldaten erschossen haben. Ein Strategie-Würfelspiel namens «Fahrt durch die Dardanellen» macht die Kinder mit der Topographie jener Meerenge im Osmanischen Reich vertraut. Im von Bruno Cabanes mitherausgegebenen Buch «Der Erste Weltkrieg, eine europäische Katastrophe» findet sich eine stattliche Auswahl solcher Produkte.
Banalisierung des Krieges
Dieser Kriegskitsch hatte laut Bruno Cabanes die Funktion, den Krieg zu banalisieren, ihn erträglich zu machen, indem er die Schrecken der Kriegshandlungen und die Schauplätze der Kämpfe in dekorative oder spielerische Objekte verwandelte. Indem er schneidige Feldherren mit Schnurbart oder Vollbart in jedes Wohnzimmer holte – gleichsam als Vaterfiguren für die bedrängte Nation.
Diese Gegenstände seien jedoch kein Hinweis darauf, dass die Kinder während des Krieges stärkerer nationalistischer Propaganda ausgesetzt gewesen seien als vorher. Die militärische Erziehung und die starke Vaterlandsrhetorik hätten bereits Ende des 19. Jahrhunderts in den Schulen aller westeuropäischer Länder Einzug gehalten, Belege dafür fänden sich überall in den Schulbüchern.
«Mit unserem Blick des frühen 21. Jahrhunderts haben wir die Tendenz, in den Kindern Opfer des Patriotismus – oder eines übertriebenen Nationalismus – zu sehen», so Cabanes, «in Wirklichkeit wollten die Kinder im Rahmen ihrer schwachen Kräfte an der gemeinsamen Anstrengung der Bevölkerung mitwirken.»