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Der 1. Weltkrieg Das Kriegsgedächtnis des Ersten Weltkriegs vergisst die Frauen

Die Rolle der Frauen im Ersten Weltkrieg wird unterschätzt: Es gab nicht nur die Front der kämpfenden Männer – die Heimat wurde auch zur Front. Die Historikerin Christa Hämmerle zeigt, wie wichtig Frauen für den Kriegsverlauf waren, und wie wenig Anerkennung sie dafür bekamen.

Sie wollten als Gattinnen, Mütter und Staatsbürgerinnen ihren Tribut für den Krieg in der Heimat leisten. Der Einsatz der Frauen an der Heimatfront war oft enorm. Und ein wichtiger Baustein, um den Ersten Weltkrieg zu verstehen, meint die Historikerin Christa Hämmerle. Trotzdem sprach die Geschichtsschreibung den Frauen im Ersten Weltkrieg bis anhin nur kleine Kapitel zu. Die Wienerin Christa Hämmerle widmet ihnen mit «Heimat/Front-Geschlechtergeschichte/n des Ersten Weltkriegs in Österreich-Ungarn» nun ein ganzes Buch.

Man sieht eine Gruppe von Soldaten im Kriegsspital. Sie posieren mit den Krankenschwestern.
Legende: Frauen als lebenswichtige Helferinnen: Österreich-ungarische Soldaten und Krankenschwestern im Kriegsspital. Privatbesitz Christa Hämmerle

Die Mobilisierung der Frauen im damaligen Österreich-Ungarn ging von fast allen Frauenbewegungen aus. «Wir müssen unserem Vaterland helfen» lautete die Devise. Einen Tag vor Kriegsbeginn appellierte Marianne Hainisch, Vorsitzende des Bundes österreichischer Frauenvereine, mit Leidenschaft an die Frauen Österreichs:

«Davon durchdrungen, dass es die Pflicht der Frauen ist, die Verwundeten zu pflegen, die Genesenden in Obhut zu nehmen, für die Kinder und alten Eltern der im Feld stehenden zu sorgen, den Behörden Hilfskräfte zu stellen, bitte ich im Namen des Bundes österreichischer Frauenvereine die österreichischen Frauen, die uns stets treu zur Seite standen, sich für den Dienst im Kriegsfalle zu engagieren.» Diesen und andere ähnliche Aufrufe nahmen sich die Frauen zu Herzen.

Liebesgaben an die Front

Literaturhinweis

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Christa Hämmerle: «Heimat/Front-Geschlechtergeschichte/n des Ersten Weltkriegs in Österreich-Ungarn», Böhlau Verlag, 2014.

Schokolade, Zigaretten, wärmende Kleidung etc. schickten die Frauen den kämpfenden Männern an die Front. Diese sogenannten «Liebesgaben» waren ursprünglich Brauch unter Brautleuten. Nun wurden sie an fremde Soldaten mit dem Herzblut der Frauen von daheim gesendet. Diese Versorgung bediente auch die Emotionen der Soldaten an der Front. Eine ähnliche Rolle spielten die Feldpostbriefe. Diese sollten die Männer ermuntern, für die Lieben daheim weiter zu kämpfen. Hätte dieser Krieg solange dauern können, fragt die Historikerin, wenn die Männer an der Front nicht diese gefühlsstarke Unterstützung von der Heimatfront gehabt hätten?

Die zerschlagene Hoffnung auf Gleichberechtigung

Man sieht einen Soldaten, der von einer Frau im weissen Gewand gestützt wird.
Legende: Bildpostkarte mit einer Schwester als «Engel in Weiss» (herausgegeben vom Kriegsfürsorgeamt). Privatbesitz Christa Hämmerle.

Fast alle Frauen engagierten sich für diesen Krieg: mit sogenannten «Labediensten» an Bahnhöfen für durchreisende Soldaten, mit der Pflege von Verwundeten, der Organisation von Kriegskochkursen, der Einrichtung von Näh-und Strickstuben, mit Arbeiten in Rüstungsfabriken und im öffentlichen Dienst und vielem anderen mehr. Die Frauen setzten sich nicht nur aus patriotischen Gründen ein. Sie hofften auch auf die Anerkennung als Staatsbürgerinnen, deren Einsatz dem der Männer an der Front ebenbürtig war.

Die Historikerin belegt, in welch grossem Umfang die von Frauen organisierte Kriegsfürsorge von staatlicher Seite gefördert und instrumentalisiert wurde. Nach der Rückkehr der Männer aus dem Krieg kam jedoch die alte Geschlechterordnung wieder zum Tragen. Die Frauen erhielten zwar das allgemeine Frauenstimmrecht, aber ihre enorme Leistung fand im öffentlichen Kriegsgedächtnis keinen Platz.

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