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Gesellschaft & Religion Der arme Tschad muss Flüchtlingsströmen standhalten

An jeder Grenze herrscht Krieg. Das westafrikanische Land Tschad steht unter Druck, von der Weltgemeinschaft unbeachtet: Hunderttausende Flüchtlinge müssen in dem armen Land betreut werden. Ein Gespräch mit dem Konfliktforscher Didier Péclard von Swisspeace.

Wie würden Sie die Lage im Tschad charakterisieren, ganz allgemein?

Didier Péclard: Das ist sicher ein Land, das unter Druck steht, von verschiedenen Seiten. Da ist Libyen im Norden, der Sudan und dann noch die Zentralafrikanische Republik im Süden, wo sich viele komplizierte Konflikte abspielen. Das alles hat selbstverständlich Auswirkungen auf ein Land wie den Tschad. Das führt aber auch zu einem Paradox, nämlich dass der Tschad eher ein Staat ist mit einem sehr autoritären Regime – gerade eben in diesem instabilen Umfeld.

Das heisst – dieses instabile Umfeld befördert ein autoritäres Regime?

Zur Person

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Didier Péclard ist Senior Researcher bei swisspeace. Er ist für den Bereich «Statehood and Conflict» zuständig. Er forscht insbesondere zu Fragen des Wiederaufbaus von Staaten.

Ja, autoritäre Regimes entwickeln sich in instabilen Kontexten, und da ist es wichtig für die Partner des Tschad, insbesondere für Frankreich, dafür zu sorgen, dass das wirklich auch so bleibt. Frankreich hat in den letzten Jahren auch ein paar Mal interveniert, um das Regime von Idriss Déby im Tschad zu stützen, mit der Absicht, diese Stabilität zu gewährleisten.

Da nimmt man also ein autoritäres Regime in Kauf, um die Stabilität in der Region zu garantieren – auf der Strecke aber bleiben Fragen wie Menschenrechte, Demokratie, Pluralismus?

Das ist leider häufig der Fall. Frankreich ist keine Ausnahme in dieser Konstellation. Als Frankreich 2008 im Tschad interveniert hat, um die Regierung Déby zu retten, sind all die Fragen, die Sie aufwerfen – also Demokratie, Menschenrechte, Rechtstaatlichkeit – völlig vernachlässigt worden.

230'000 Flüchtlinge sind ins Land gekommen, Flüchtlinge aus dem Sudan vor allem, aus der Region Darfur, auch aus Nordnigeria. Welche Risiken birgt denn die Anwesenheit so vieler Flüchtlinge in einem Land, das so arm ist wie der Tschad?

Es führt natürlich zu einem grossen Stress, zu einer grossen Belastung, vor allem der natürlichen Ressourcen, aber auch der staatlichen Ressourcen, die ja sehr wenige sind. Es kann auch zu Problemen und Konflikten zwischen den verschiedenen sozialen Gruppen und Gemeinschaften führen, wenn nicht sichergestellt wird, dass die einheimische Bevölkerung sich nicht bedroht fühlt von den Flüchtlingen.

Es gibt ja auch immer die Gefahr einer Radikalisierung, gerade auch der Vermischung von sozialen Konflikten mit religiösen, fundamentalistischen Positionen – sehen Sie eine solche Gefahr für den Tschad?

Diese Gefahr der Radikalisierung der politischen Meinung an einem Ort, wo Flüchtlinge hinkommen, existiert immer, im Tschad genau so wie in einem Land wie der Schweiz. Natürlich ist das Ausmass nicht dasselbe, aber die Tendenz besteht, dass die Meinungen sich radikalisieren, weil man befürchtet, dass es zum Beispiel tatsächlich so etwas wie Masseneinwanderungen gibt.

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