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Gesellschaft & Religion Der schöne Schein in der Welt der Priester

Während Papst Benedikt XVI. Hermelin und Brüsseler Spitzen mochte, wählt Franziskus das Gegenprogramm: «Der Karneval ist vorbei», soll er kurz nach seiner Wahl gesagt haben. Der Theologe und Philosoph Christian Hermes über das Herrliche in der katholischen Kirche, über Kitsch und Selbstinszenierung.

Religiöse Würdenträger verstehen sich als Repräsentanten der höheren Macht. Sie sollen also die Schönheit Gottes inszenieren?

Christian Hermes: In keiner mir bekannten Religion wird die gute Gottheit hässlich dargestellt. Hässlich ist das Böse. Das Gute wird mit grossem Aufwand gefeiert. Das Göttliche, das Herrliche muss mit dem Edelsten dargestellt werden. Gottesdienst und Kult sind Inszenierungen von Macht und Schönheit des Göttlichen.

Wie passt das zusammen mit dem Ideal der Einfachheit?

Natürlich gibt es in der Kirchengeschichte auch eine Gegenbewegung. Als der Benediktinerorden immer grösser und prunkvoller wurde, kam Bernard von Clairvaux und forderte schlichte Kirchen. Er gründet die Zisterzienser und verbat jeglichen Schmuck in den Kirchen, sogar Kirchtürme. Einige Zeit später tauchten wieder Verfettungstendenzen auf.

Dann kam Franz von Assisi mit einer schmucklosen Kirche und einer reduzierten Liturgie. Auch Martin Luther und die Reformation kann man in diesem Licht sehen, gerade Calvin, der sehr streng reduzierte oder gar keine Bilder tolerierte. Es gibt also im Grunde immer wieder Pendelausschläge zwischen prunkvollen Inszenierungen und der Forderung nach Schlichtheit.

Welche Rolle spielt der Priester bei dieser Inszenierung?

Zur Person

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Christian Hermes (44) hat katholische Theologie und Philosophie studiert, und ist heute Dompfarrer und Stadtdekan von Stuttgart. Er trägt den Ehrentitel «Monsignore», den ihm Papst Benedikt XVI. verliehen hat.

Im Grunde ist der Priester nur ein Darsteller, der in dem symbolischen Drama des Gottesdienstes die Herrlichkeit Gottes repräsentieren soll. Es geht nicht um die persönliche Inszenierung des Priesters oder Papstes. Es geht überhaupt nicht um die Privatperson. Eine solche repräsentative Logik gab es bis in die Moderne.

Als Privatperson war auch der König uninteressant. Er war der Darsteller des Staates. Darum sagte Ludwig XIV: «L’état, c’est moi !». Das ist keine Überheblichkeit, das ist seine Aufgabe. Im Priester, so formuliert es schon der Kirchenvater Augustinus, handelt Christus selbst. Um ihn geht es, nicht um mich.

Wie kommt diese Eitelkeit ins Spiel?

Das ist sicher auch eine individuelle Frage. Es gab und gibt immer eitle Menschen. Während einer Diakon-Weihe sagte ein Bischof zum Kandidaten: «Sie kriegen dieses Gewand nicht, um sich zu schmücken, sondern um darin zu verschwinden.» Stolz und Eitelkeit sind keinem Menschen fremd, auch Geistlichen nicht.

Die spannende Frage ist: Kommt die Religion ohne symbolische Kommunikation, ohne Schönheit aus? Die Schönheit der Opulenz, die barocke Schönheit, sie kippt schnell ins Kitschige. Aber es gibt auch die edle Einfalt und stille Grösse, die Schönheit einer kargen calvinistischen Kirche oder Zisterzienserkirche. Das kann auch sehr schön sein.

Und beide Extreme existieren innerhalb der katholischen Tradition?

Katholische Kirche ist ganz bunt. Es geht immer vieles gleichzeitig. Deswegen bin ich so gerne katholisch. Wir haben einerseits einen hohen Systematisierungswillen, auf der anderen Seite können auch komplett widersprüchliche Richtungen nebeneinander existieren.

Aus dem heutigen Kontext gefragt: Warum interessieren sich geistliche Männer in diesem Ausmass für Stoffe und Kleider?

Nahaufnahme des Theologen Christian Hermes.
Legende: Christian Hermes kritisiert die Selbstinszenierung der kirchlichen Amtsträger. ZVG

Es gibt ja auch ausserhalb der Kirche viele Männer, die sich für Stoffe interessieren! Unter Priestern wie unter normalen Menschen gibt es verschiedene Geschmäcker. Ein Priester, der Sinn für Ästhetik hat, wird vielleicht in seinem Privatleben wenige Möglichkeiten finden das auszuleben.

Angenommen, ich als Priester habe Freude an schönen Autos, wie sie zum Beispiel hier in Stuttgart produziert werden: Es ginge nicht an, einen solchen Wagen zu fahren. Ich kann auch nicht mit einem teuren Anzug oder mit modischen Lackschuhen rumlaufen. Wenn ich das tue, werde ich zum Gespött und noch schlimmer zum Ärgernis.

Aber was tut ein Geistlicher, der immer demütig sein soll, aber einfach schöne Dinge mag? Vielleicht fängt er an, teure Messgewänder zu kaufen. In gewissen katholischen Kreisen wird zum Beispiel die Soutane wieder gerne getragen, der lange Priestertalar. In Rom übrigens kann man das Schauspiel priesterlicher Eitelkeit an jeder Ecke beobachten.

Was ist schön?

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Schönheit ist uns wichtig. Frauen lassen sich ihr Fett an «Problemzonen» absaugen, Männer färben sich die Haare und rasieren den Intimbereich. Ist das wirklich immer schön? Wir werfen einen Blick auf die «Kampfzone Bikini» und andere Aspekte des Schönseins.

Das geht ja dann bis hin zum Priesterkalender, dem «Calendario Romano» mit den hübschen Fotoporträts von Geistlichen?

Das ist unsäglich! Von unserem Amtsverständnis und der Theologie her ist klar: Es geht nie um mich als Privatperson, als Individuum. Ich halte so einen Priesterkalender für konträr, und zwar prinzipiell konträr zu dem, was Amt und Berufung des Priesters sein soll. Es geht genau nicht darum, ob er süsse Augen hat, ob er ins Fitnessstudio geht, schön gebräunt ist oder toll singen kann. Der Priester ist jemand, der Menschen in Kontakt mit Gott zu bringen hat. Ich halte das für eine der grössten Versuchungen aller Amtsträger, in der Politik wie in der Kirche. Wenn sie meinen, es gehe um sie als Person, dann geht es schief, wie die Affäre um Tebartz-van Elst zeigt.

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