Der dänische Sexologe Jakob Olrik gibt Männern in Netz und TV Nachhilfeunterricht in Sachen Sex – bildhaft, humorvoll und sehr erfolgreich. Er findet: Männer sollen mit ihrer Sexualität nicht länger allein gelassen werden – gerade die jungen.
SRF: Herr Olrik, warum sollten heranwachsende Männer heute lernen, wie Sex ganz konkret geht?
Jakob Olrik: Die Schule bringt ihnen alles bei, nur keine sexuellen Fertigkeiten. Dabei wäre es enorm wichtig für Jungs, dass sie nicht allein gelassen werden mit Pornos als einziger Quelle des Anschauungsunterrichts, wie Sex mit einer Frau oder einem Mann abläuft.
Sie beschreiben anschaulich, wie Penis oder Vagina gern verwöhnt werden. Müssten aber Jugendliche nicht zuerst ihre eigenen Erfahrungen machen, bevor sie dafür bereit sind?
Das glaube ich eben nicht. In diesem Alter sind sie enorm interessiert an Sexualität. Wenn wir ihnen da nichts anbieten, machen sie ihre Erfahrungen mit keinem oder einem falschen Bild von einer guten Sexualität. Das kann für das spätere Leben viele Probleme schaffen.
Ihre Anleitungsvideos sind sehr bildhaft. Sie lachen viel dabei, ich lache auch beim Anschauen. Ist das ihr Erfolgsrezept?
Vielleicht. Alles ist jedenfalls viel einfacher, sobald Humor im Spiel ist. Ich muss aber auch klare Worte finden bei der Sexualität, nichts aussparen. Daran mangelt es nämlich in den meisten Beziehungen.
Jungs sollten nicht allein gelassen werden mit Pornos als einziger Quelle des Anschauungsunterrichts
Offenbar sind Ihre Sextipps sehr gefragt in Dänemark. Sie touren durchs Land und unterhalten die Leute in ausverkauften Sälen. Was mich aber nachdenklich stimmt: Im Publikum sehe ich keine Männer.
Ja, das ist leider so. 99 Frauen sitzen da und hören zu und vielleicht ein Mann. Nur die Frauen sind wirklich interessiert an Sex. Damit meine ich nicht Porno – sondern etwas zu lernen über Sex.
Männer sind so stolz. Sie lassen den Gedanken gar nicht zu, dass es Kompetenzen gibt auf diesem Gebiet, in denen sie ein Upgrade bräuchten.
Warum, denken Sie, ist das so?
Wir Männer haben so etwas wie einen Stolz, in dem wir uns gern suhlen. Wir sind so stolz, dass wir alles können – und lassen den Gedanken gar nicht zu, dass es Kompetenzen gibt in diesem Gebiet, wo ich ein Upgrade bräuchte.
Bei Frauen ist das nicht so. Die sind neugierig, möchten gerne lernen, die wollen Vertiefung, fragen sich, was sie brauchen, um eine bessere Liebhaberin zu sein.
Ein tristes Männerbild.
Mag sein. Die Frauen haben die Entwicklung geprägt in den vergangenen Jahrzehnten. Der Mann ist ihr einfach gefolgt, ist sozusagen im Windschatten mitgefahren.
Das ist eine starke Behauptung. Woran lesen Sie das ab?
Alle jungen Frauen wachsen heute auf mit Müttern, die ihnen sagen: Ihr müsst selbständig sein, nie abhängig von einem Mann. Sie haben eine viel grössere Entwicklung hinter sich, haben gelernt, zu sich selbst zu schauen und selbständig zu sein. Währenddem die Männer sich zu oft der Frau anpassen.
Auch beim Sex? Ist es da nicht der Mann, der dominiert?
Das mag so aussehen. Besonders in der aktuellen #MeToo-Debatte, wo es um Übergriffe geht. Im gewöhnlichen Alltag bestimmt aber sehr oft die Frau, ob es zu Sex kommt, ob überhaupt etwas läuft oder jeder für sich bleibt. So ist es heute, die Frau hat die Hebel in der Hand.
Sie haben die #MeToo-Debatte angesprochen. Hat die überhaupt etwas Gutes?
Die neu entflammte Debatte ist sehr wichtig, da dadurch die beiden Geschlechter wieder näher zueinander finden können. Aber sie schafft zunächst auch einen grossen Ozean zwischen ihnen.
Das Gespräch führte Richard Herold.