James Webb war ein Beamter. Kein Wissenschaftler. Einer, dessen Karriere ab den späten 1940er Jahren abhob. Zunächst als Untersekretär im Aussenministerium, später als Chef der US-amerikanischen Raumfahrtbehörde Nasa.
Webbs beruflicher Höhenflug fiel in eine Zeit, die für andere ein Tiefpunkt war. Homosexuelle Staatsangestellte – Wissenschaftler, Beamtinnen oder Lehrer – wurden systematisch bedrängt und aus dem Staatsdienst entlassen. Sie galten als nicht vertrauenswürdig, als pervers, als erpressbar und wurden als Sicherheitsrisiko im Kalten Krieg eingestuft.
Unklare Rolle Webbs bei der Verfolgung Homosexueller
Homosexuelle Menschen waren Opfer der so genannten «Lavender Scare» oder «Lila Angst», einer komplexen Gemengelage von Bedrohungsängsten im Kalten Krieg und politisch instrumentalisierter Sexualmoral. Welche Rolle James Webb damals spielte – im Aussenministerium und später bei der Nasa – ist umstritten.
Astronominnen fordern anderen Namen
Im Frühjahr 2021 lancierten daher vier prominente Astronominnen und Astronomen eine Petition . Über 1200 Wissenschaftler und Astronomieaffine haben unterschrieben. Sie forderten die Umbenennung des Teleskops. Unter ihnen sind viele, die dereinst selber mit den Daten, die das Teleskop liefern wird, arbeiten werden.
Der 1992 verstorbene James Webb sei in die Homosexuellen-Verfolgung der 1950er und 60er Jahre verwickelt gewesen. Akten in den National Archives zeigten, dass Webb eine aktive Rolle spielte.
Er habe unter anderem Aktennotizen zum «Problem der Homosexuellen und sexuell Perversen» an einen Senator weitergegeben, der führend war in der Verfolgung Homosexueller. In Webbs Zeit als Nasa-Direktor in den 1960er Jahren fiel auch die Entlassung eines homosexuellen Nasa-Angestellten.
Die kurze Begründung zum langen Streit
Die NASA sicherte diesen Sommer zu, die Vorwürfe untersuchen zu lassen. Der Öffentlichkeit wurde ein Bericht versprochen. Stattdessen gabs nur ein kurzes Medien-Statement : «Wir haben keine Beweise gefunden, die eine Namensänderung des Teleskops rechtfertigen würden.»
Die Kürze der Begründung und die mangelnde Transparenz der Untersuchung haben viele Astronominnen wütend gemacht. Dies umso mehr, weil eine seriöse Aufarbeitung von James Webbs Rolle in der Homosexuellenverfolgung schwierig war. Denn wichtige Handarchive waren wegen Corona-Restriktionen über längere Zeit geschlossen.
Und so kommt es, dass das Teleskop nicht nur mit stattlichen sechs Tonnen Gewicht abhebt, sondern auch mit einer ungeklärten historischen Hypothek.