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Design nach Corona Wir müssen Hand an die Türfalle legen

Eine Folge von Corona: Wir sind alle zu Klinkenputzern geworden. Gibt es Alternativen zur Türfalle, wie wir sie kennen? Ein Ausblick.

Klein, unscheinbar, eine anonyme Dienerin: Und doch ist die Türfalle bei Designer und Designerinnen beliebt, sagt Christian Brändle, der Direktor des Museum für Gestaltung Zürich.

«Die Türfalle ist eines der wenigen identitätsstiftenden Elemente im Innenraum.» Von verschnörkelt barock bis sachlich neutral: Es gebe für jeden Geschmack eine Türfalle.

Gesucht: gesundes Mittelmass

Der optische Effekt der Türfalle ist das eine. Das andere Kriterium ist die Ergonomie. Eine Türfalle muss gut in der Hand liegen. «Es gibt übertrieben formgewollte Türfallen, die dann unangenehm in der Hand liegen.» Andere seien wieder extrem: «Zu superorganisch», nennt Brändle das.

Gesucht ist also das gute Mittelmass. Aber das Handschmeichlerische einer Türfalle, ihr eigentliches Gütekriterium: Das klingt aus hygienischer Sicht heute eher abstossend. Könnte da ein neues Türfallen-Design die Ansteckungsgefahr vermindern?

Die Türfalle sei ein einfaches Ding, sagt Christian Brändle. Allzu viel daran herumentwerfen könne man nicht mehr. «Irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem man sagen muss: Es lässt sich fast nicht mehr weiterentwickeln.»

Ein Mann mit Pistole öffnet die Tür eines Salons.
Legende: Vorbild Wilder Westen: Die Saloon-Türe lässt sich bequem ohne Einsatz der Hände öffnen. Getty Images / Photo Media

Wie im Wilden Westen

Christian Brändle glaubt, beim Material lasse sich etwas machen. «Ich habe dank Corona gelernt, dass sich Viren auf glatten Oberflächen besser am Leben erhalten können als auf porösen» Vielleicht gebe es einen speziellen Kunststoff, der antiviral wirke.

Oder man kehre grundsätzlich von der Türklinke ab. Im Wilden Westen, sagt Brändle, gebe es ja diese Türbänder, die in beide Richtungen auf- und zugehen können. «Vielleicht reichen in Zukunft an gewissen Orten solche Türen, die wir ganz salopp mit dem Fuss öffnen können.»

Die ganz kontaktlose Tür gibt es ja bereits: die automatische Schiebetüre. Aber die ist teuer und wartungsintensiv. Deshalb eignet sie sich nicht für den flächendeckenden Einsatz.

Der Aufsatz aus dem 3D-Drucker

Eine billige Alternative bietet das 3D-Druckunternehmen Materialise an. Angesichts der Corona-Pandemie hatte es im März einen Plastikaufsatz entwickelt, der ein keimfreies Türöffnen erlaubt.

An einer Türfalle ist ein Plastikverlängerung angebracht, an der jemand mit dem Arm zieht.
Legende: Öffnen ohne Anfassen: Mit diesem Aufsatz aus dem 3D-Drucker können Türen mit dem Arm geöffnet werden. Materialise

Nils Torke, der der im Marketing für Materialise in Deutschland arbeitet, erklärt wie der Corona-Türgriff funktioniert. «Er ist wie ein Paddel geformt, damit man die Klinke mit dem Unterarm herunterdrücken, aber die Türe eben auch ziehen oder aufdrücken kann, ohne die Hände benutzen zu müssen.»

Materialise hat die 3D-Druck-Dateien zum kostenlosen Download zur Verfügung gestellt. Wer einen 3D-Drucker besitzt, kann sich den Plastikaufsatz also selbst ausdrucken. Rund um den Globus wurde die Druckanleitung schon über 60'000 Mal heruntergeladen.

Die Krise als Innovationstreiber

Das Druckunternehmen Materialise hat neu auch Aufsätze für Einkaufswagen im Angebot. Sie ermöglichen es, den Wagen mit den Unterarmen durch die Gänge zu bugsieren. Es sind ja nicht nur Türklinken, an die wir im Alltag Hand anlegen.

Es gäbe also noch viele Bereiche wo Designerinnen und Entwickler gefragt sind. Christian Brändle vom Museum für Gestaltung in Zürich ist überzeugt: «Da werden Lösungen kommen. Die Geschichte der Gestaltung lehrt uns, dass es immer wieder unglaubliche Innovationen gibt.»

Erfindungen wie der Griff aus dem Drucker geben ihm recht: Die Coronakrise ist ein Treiber für Design-Innovationen.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 20.4.2020, 17:20 Uhr ; 

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