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Gesellschaft & Religion Die «Batterie Europas»: Keiner will sie bauen

Wind- und Solarstrom sorgen für Schwankungen bei der Stromproduktion. Pumpspeicherwerke könnten über- schüssigen Strom aufnehmen, so die Idee. Doch niemand plant mehr neue Werke, zu schlecht ist die Rendite. Selbst Norwegen als Wasserkraftland Nummer eins in Europa setzt auf andere Strategien.

  • Pumpspeicherkraftwerke, einst als «Batterien Europas» gepriesen, heute sind sie kein gutes Geschäft mehr.
  • Wegen der ungewissen Entwicklungen und der tiefen Strompreise suchen Länder nach Alternativen zu Pumpspeicherkraftwerken.
  • Norwegen belässt oft Wasser oben in den Stauseen und importiert stattdessen Strom.

Zu viel Strom auf dem europäischen Markt

Sie waren ein gutes Geschäft: die Pumpspeicherkraftwerke. In der Schweiz wurde nachts, mit billigem Strom aus den Kernkraftwerken, Wasser in die Seen hochgepumpt. Tagsüber zu den Verbrauchsspitzen konnte dieses Wasser dann wieder durch die Turbinen abgelassen und zu einem guten Preis als Wasserkraft verkauft werden.

Doch seit einiger Zeit ist zu viel Strom auf dem europäischen Markt. Die Preise sind deshalb eingebrochen. Der Anteil von Wind- und Solarstrom steigt stetig, es werden aber kaum alte Kraftwerke abgeschaltet. Zudem ist die Stromnachfrage zur Zeit gering wegen der schwachen Konjunktur in Europa. Wasserkraftstrom lässt sich deshalb nicht mehr teuer verkaufen – und schon gar nicht solcher, welcher den verlustreichen Umweg über eine Pumpe nehmen muss.

Ein paar Arbeiter verlegen ein dickes Stromkabel ins Wasser.
Legende: Norwegen entwickelt neue Strategien, um den überschüssigen Strom zu exportieren. Statnett

Eine «Batterie», doch für was?

Pumpspeicherwerke seien wichtig, um überschüssigen Strom zu speichern. Sie seien die «Batterie Europas» hiess es lange. Die Schweiz hat Potential, als Stromspeicher zu dienen, aufgrund der vielen Stauseen in den Alpen. Doch europaweit betrachtet, könnte die Schweiz nur etwa sieben Prozent beitragen. Klarer Spitzenreiter ist Norwegen: Dort sieht eine aktuelle Studie über 60 Prozent der möglichen Ausbaustandorte in Europa.

Doch eigentlich ist gar nicht klar, ob es die «Batterie» überhaupt braucht. Es gibt Studien und Gegenstudien, aber zu viele Entwicklungen sind noch nicht abschätzbar. Beispiel Elektroautos: Ihre Batterien könnten dereinst einen wichtigen Stromzwischenspeicher bilden. Doch wann und ob sich Autos mit Batterien durchsetzen, ist ungewiss.

Arbeiter auf einem Schiff sind dabei, ein Stromkabel ins Wasser zu verlegen.
Legende: Der Netzbetreiber Statnett baut das NordLink-Kabel von Norwegen nach Deutschland. Statnett

Stromkabel unter dem Meer

Wegen der Ungewissheit und der tiefen Strompreise plant heute niemand mehr neue Pumpspeicherkraftwerke. Zahlreiche Projekte sind wieder in der Schublade verschwunden. Nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Europas Wasserkraft-Traumland Norwegen. Mit einer Jahresproduktion, die drei Mal so gross ist wie die der Schweiz, kann Norwegen praktisch seinen gesamten Stromverbrauch mit Wasserkraft decken. Oft wird aber zu viel Strom produziert.

Deshalb baut Norwegen Stromkabel unter dem Meer hindurch, um den Strom zu exportieren. Mehrere solcher Projekte sind bereits in Betrieb, das aktuellste: NordLink. Es wird zur Zeit von Norwegen nach Deutschland gebaut.

So bleiben die Stauseen voll

Auch der umgekehrte Weg von Deutschland nach Norwegen sei interessant, meint Christer Gilje, Mediensprecher beim Netzbetreiber Statnett, welcher das NordLink-Kabel baut. «Wenn wir uns mit Deutschland verbinden, können wir von dort überschüssigen Wind- und Solarstrom kaufen. Wir importieren das nach Norwegen und behalten unser Wasser in den Stauseen», so Gilje. Dies sei eine Art «virtueller Pumpspeicher».

Eine Modellansicht eines Stromkabels.
Legende: Ein Kern aus Kupferleitungen ist umgeben von zahlreichen Isolationsschichten aus Kunststoff und Metall. Statnett

Norwegen als Vorbild für die Schweiz?

Das norwegische Modell könnte durchaus auch für die Schweiz interessant sein, wenn dereinst die Kernkraftwerke nicht mehr laufen. Die Anbindung zum europäischen Ausland ist gut, die Schweiz kann Strom importieren, wenn er günstig ist – und die Stauseen gefüllt lassen. Einige Schweizer Stromkonzerne investieren bereits Geld in Windparks im Ausland.

Kritiker sehen die Energieabhängigkeit vom Ausland als Gefahr. Doch gilt es zu bedenken, dass rund drei Viertel unseres Energieverbrauchs sowieso aus dem Ausland importiert wird, in Form von fossilen Brennstoffen. Ob und wie sich also die «Batterie Europas» weiterentwickelt, bleibt abzuwarten.

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