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Haus europäischer Geschichte Die Europäische Union hat sich ein Museum gebaut

Seit Jahren war es geplant, nun eröffnet das «Haus der europäischen Geschichte» in Brüssel. Ein Gespräch mit der Kuratorin über das neue Museum.

SRF: Heute steht die Europäische Union enorm unter Druck: Die Briten verlassen die EU, und auch in anderen Staaten gibt es heftige Kritik. Kann das Haus der europäischen Geschichte etwas zum Zusammenhalt der EU beitragen?

Zur Person

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Constanze Itzel ist Kuratorin des Hauses der europäischen Geschichte in Brüssel.

Constanze Itzel: Das Haus der europäischen Geschichte zeigt die Geschichte des 20. Jahrhunderts in Europa: eine Geschichte der Kriege, der noch nie dagewesenen Zerstörung. Vor diesem Hintergrund könnte das Museum das Bewusstsein reifen lassen, dass ein Friedensprojekt wie die EU erhaltenswert ist, auch wenn es Reformen bedarf.

Was ist konkret zu sehen im Haus der europäischen Geschichte?

Wir beschreiben europäische Geschichte durch Objekte, Filme, audiovisuelle Dokumente und interaktive Stationen. Wir ergänzen die europäische Museumslandschaft durch ein Haus mit europäischem Blickwinkel.

Wir wollen dadurch die nationalen Museen nicht ersetzten – wir wollen eine europäische Perspektive hinzufügen.

Das Museum

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Legende: Wikimedia

Bereits vor zehn Jahren kam im Europäischen Parlament die Idee für ein Haus der europäischen Geschichte auf. Morgen Samstag eröffnet nun das neue Museum in Brüssel.

Inwiefern verändert das Haus den Blick des Besuchers auf Europa?

Ich denke, die Besucher können bei uns sehen, dass viele historische Prozesse, die sie aus ihrer eigenen Geschichte, aus der Nationalgeschichte kennen, nicht nur für ihr Land relevant waren. Genau diese Prozesse haben wir ausgewählt und zeigen sie.

Wahrscheinlich wird es verbindend wirken zu sehen, wie die Geschichte des 20. Jahrhunderts in verschiedenen Staaten, zwar in unterschiedlicher Ausprägungen, aber doch ähnlich wirksam waren.

Das heisst, Sie arbeiten also die Gemeinsamkeiten unter den Staaten heraus?

Ja, wir konzentrieren uns auf Prozesse, die für den ganzen Kontinent relevant waren, die in Europa begonnen und sich über den ganzen Kontinent ausgebreitet haben. Insofern haben sie Relevanz für fast alle Europäer.

Die Darstellung europäischer Geschichte ist beileibe keine leichte Aufgabe. Mit Geschichte wird auch in Europa gerne nationale Politik gemacht. Wie gehen Sie mit diesem Dilemma um?

Zunächst einmal ist es wichtig zu sagen, dass unsere Ausstellung von einem internationalen Kuratoren-Team zusammengestellt wurde – so dass wir mit der Ausstellung keine Politik machen wollen.

Wir wollen analysieren und zeigen auch Widersprüche und unterschiedliche Interpretationen von Geschichte. Wir scheuen auch nicht davor zurück, Kritik an der EU zu zeigen. Insofern bieten wir sehr viele Anknüpfungspunkte für unterschiedliche Meinungen in Europa.

Eine Statue und ein Wandgemälde im Haus der europäischen Geschichte.
Legende: Europäische Geschichte, in Bildern und Objekten erzählt. Reuters

Die Europäische Union hat 28 Mitgliedstaaten: Haben diese sich zum Teil auch zur Wehr gesetzt gegen eine Darstellung?

Wir bekommen immer wieder Fragen im Stil von: Wie ist die litauische Geschichte dargestellt, wie die rumänische?

Darauf müssen wir antworten: Wir zeigen keine Nationalgeschichte, wir zeigen einen europäischen Blick – eine mögliche Interpretation der Geschichte, durch ein Team und auf wissenschaftlicher Grundlage erarbeitet. Daneben steht jedem Staat die Möglichkeit offen, in seinem eigenen Nationalmuseum sein Geschichtsbild zu zeichnen.

Dann gab es keine Querelen hinter den Kulissen?

Es gab sehr heftige Debatten in unserem Team, bis wir zu dem Produkt gekommen sind, das wir jetzt zeigen. Ich spreche jetzt aber nicht von politischen, sondern von inhaltlichen Debatten. Jeder Historiker bringt sich mit seiner nationalen Ausbildung und der Erfahrung in nationalen Museen ein – das war nicht immer einfach.

Das Gespräch führte Sandra Leis.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Kompakt, 5.5.2017, 06:50 Uhr

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