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Die Geschichte der USA «Die Vereinigten Staaten gründen auf Völkermord und Sklaverei»

Die US-amerikanische Historikerin Jill Lepore hat eine fulminante Geschichte der USA vorgelegt. Sie zeigt darin, warum die USA auf der Erfahrung von Leid gründen und wie Frauen Macht ausübten, noch bevor sie wählen konnten.

Im Interview erklärt sie, wie das zu verstehen ist und wie «Gleichheit» in den USA unterschiedlich interpretiert wurde.

Jill Lepore

Historikerin

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Jill Lepore ist Professorin für amerikanische Geschichte an der Harvard Universität. Neben ihren Tätigkeiten an der Universität schreibt Lepore unter anderem für das Magazin «The New Yorker».

Ihr neustes Buch «Diese Wahrheiten. Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika» ist aktuell ein Bestseller.

SRF: Sie schreiben in Ihrer neuen Geschichte der USA, die Vereinigten Staaten gründeten auf der Erfahrung von Leid. Wie muss man das verstehen?

Jill Lepore: Die Amerikaner, welche die Unabhängigkeitserklärung aufsetzten, waren verwickelt in den Genozid an der indigenen Bevölkerung und in die Versklavung von Afrikanern.

Die Indigenen und Sklaven fragten von Anfang an: «Mit welchem Recht nehmt ihr mir mein Land weg, meine Souveränität, meine Arbeit, mein Glück, mein Leben? Auf welches Recht beruft ihr euch?»

Sie versuchten zu verstehen, wie man die Grausamkeit rechtfertigen und gleichzeitig die Idee von Freiheit und Grundrechten hochhalten konnte. Die Gründung der USA entstammt also auch dieser Erfahrung von grossem Leid.

In der Unabhängigkeitserklärung von 1776 steht, dass «alle Menschen gleich geschaffen» seien. Wer zählte damals dazu?

Thomas Jefferson, der massgebliche Verfasser, meinte damit Landeigentümer, die beschlossen hatten, eine Regierung zu bilden, um ihre Interessen zu wahren. Das verstanden damals alle so.

1826, wurde der 50. Jahrestag gefeiert. Viele evangelikale Christen lasen zum ersten Mal die Unabhängigkeitserklärung. Sie verstanden den Satz «Alle Menschen sind gleich geschaffen» so, dass wir alle gleich vor Gott seien.

Egal, ob Männer oder Frauen, Schwarze oder Weisse, Junge oder Alte, Reiche oder Arme. Sie interpretierten also die Unabhängigkeitserklärung neu, fügten die Idee der Gleichheit hinzu und nutzten die Unabhängigkeitserklärung als Argument für die Abschaffung der Sklaverei. Heute gilt ihre Interpretation.

Heute sind die USA ein gespaltenes Land. Wie kam es dazu?

In meinem Buch zeige ich, dass die Spaltungen in den USA in den 1970er- und 80er-Jahren bewusst geschaffen wurden von Parteistrategen, welche die Republikaner auf die rechte Seite und die Demokraten auf die linke Seite bringen wollten. Sie taten das mittels der Waffen- und Abtreibungsfrage. Bei beidem nämlich geht es um Leben und Tod.

Die Spaltungen in den USA in den 1970er- und 80er-Jahren wurden von Parteistrategen bewusst geschaffen, um Links und Rechts hervorzubringen.

Für die Linken stehen Waffen für Mord und Abtreibung für Freiheit, während für die Rechten Waffen für Freiheit und Abtreibung für Mord stehen. Die Parteistrategen erkannten schnell: So kann man gezielt die Bevölkerung spalten und mobilisieren.

Frauen spielen in der Geschichte der USA eine wichtige Rolle. Wählen aber konnten sie erst ab 1920.

Richtig. Obwohl weisse Frauen erst seit 1920 und schwarze Frauen seit 1965 wählen können, haben sie die Politik von Anfang an stark beeinflusst. Sie überzeugten die Männer, so zu wählen, dass ihre Interessen berücksichtigt wurden.

Obwohl weisse Frauen erst seit 1920 und schwarze Frauen seit 1965 wählen können, haben sie die Politik von Anfang an stark beeinflusst.

Die Frauen sagten: «Wir Frauen sind euch Männern moralisch überlegen. Bei moralischen Fragen solltet ihr uns Frauen fragen.» Sie machten also das, was ich «weiblichen moralischen Kreuzzug» nenne.

Das waren Machtkämpfe mit den Mitteln der Moral. Für die Abschaffung der Sklaverei, gegen Alkoholkonsum oder für mehr Frieden. Diese «moralischen Kreuzzüge» gibt es auch heute noch. Für mich gehört auch die MeToo-Bewegung dazu.

Buchhinweis

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Jill Lepore: «Diese Wahrheiten. Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika». C.H. Beck, 2019.

Das Gespräch führte Wolfram Eilenberger.

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