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Die Macht der Mode Bersets Borsalino und Thatchers Tasche: Wie Mode Politik macht

«Kleider machen Leute» – besonders in der Politik. Das neue Buch «Staat tragen» zeigt, wie Merkel, Thatcher und Berset Fashion zum Führungswerkzeug erhoben.

Wenn Finnlands 37-jährige Premierministerin Sanna Marin in schwarzer Biker-Lederjacke auftritt, weiss sie genau, was sie da tut. Am Musikfestival demonstriert sie damit Jugendlichkeit und Offenheit.

Das gemeinsame Werben mit ihrer schwedischen Amtskollegin für einen NATO-Beitritt ist eine Absage an Wladimir Putins Politik. Sie schafft durch die inhaltliche Verbindung mit einem militärischen Bündnis «eine weitere Assoziationsebene – hin zur Welt der Uniformen», so der Wiener Journalist Daniel Kalt in seinem soeben erschienenen Buch «Staat tragen».

Kleidung ist nie unschuldig

Niemand verkörpert den politischen Uniformträger aktuell besser als das ukrainische Staatsoberhaupt Wolodimir Selenski. Seit sein Land im Widerstand gegen den Aggressor Russland ist, kleidet er sich stets in militärischen Outfits. Was überdeutlich macht: «Wir wehren uns mit aller Kraft.»

Wolodimir Selenski in militärgrüner Jacke
Legende: Stets in Kaki-Grün: Seit Kriegsbeginn vor knapp einem Jahr kleidet sich der ukrainische Präsident in militärische Outfits. Keystone / Ukrainian Presidential Press Service

Auch der sportliche Look ist in der Politik heute weit verbreitet, weil nahbar: «They’re just like us.» Und körperlich fit zeigt man sich sowieso gerne. Vorzeigebeispiele sind die Obamas oder US-Vizepräsidentin Kamala Harris.

«We did it, Joe.» So gratulierte die derzeitige Vizepräsidentin der USA 2020 dem gewählten Präsidenten Joe Biden – ganz selbstverständlich im Jogging-Outfit.

Sneaker als Schocker

1985 verursachte Joschka Fischer noch einen Aufschrei in der Medienwelt: Der damals 37-Jährige tanzte bei seiner Vereidigung zum hessischen Umweltminister in Turnschuhen an. Sneaker waren seine regelmässigen Begleiter – auch im Deutschen Bundestag.

Joschka Fischer mit Turnschuhen und Topfpflanze im Deutschen Bundestag in Bonn
Legende: Ein ungewöhnlicher Auftritt: Joschka Fischer (Die Grünen) mit Turnschuhen und Topfpflanze im Deutschen Bundestag – damals noch in Bonn. IMAGO / Sommer

Meist wollen sich Politikerinnen und Politiker mit möglichst geringem Aufwand gut und zugleich wiedererkennbar anziehen – und dabei auf grösstmögliche Effizienz setzen. Dafür steht allen voran die langjährige deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Mit ihrer Kombination von eleganter Hose und Blazer in allen Farben stach sie aus jedem in den Sphären der Spitzenpolitik entstandenen Gruppenbild auf den ersten Blick heraus. Daniel Kalt spricht vom «Merkel-Gütesiegel» oder ihrer «Personaluniform».

Angela Merkel im Bundestag.
Legende: Ob rot, grün, gelb, blau oder lila: Merkels Modegeschmack ist und bleibt unverkennbar. IMAGO / photothek

Die Schlagkraft einer Handtasche

Auch Englands konservative Premierministerin Margaret Thatcher vertraute ganz auf ihren klassischen Look. Wobei bei ihr die Handtasche nie fehlen durfte. Diese habe die «Eiserne Lady» wie eine «Waffe» eingesetzt und ab und an damit auf den Tisch geschlagen. Kein Wunder, erwuchs daraus das englische Verb «to handbag someone», also jemanden mit der Kraft der Handtasche abkanzeln.

Margaret Thatcher winkt der Mende
Legende: Nicht nur die Lady war eisern: Auch mit ihrer Handtasche schlug Margaret Thatcher ihre politischen Kontrahenten in die Flucht. Keystone / AP / John Redman

Was bei Thatcher die charakteristische Handtasche war, ist beim aktuellen Schweizer Bundespräsidenten Alain Berset seine auffällige Kopfbedeckung. Mit dem Borsalino hat er wohl keine politischen Gegner eingeschüchtert, erregte aber grosse Aufmerksamkeit in den Medien – bis zum Vergleich mit einem Mafiaboss.

Berset inszeniert sich damit bewusst als weltgewandter Staatsmann. So setzt er sich von den gängigen Codes der Kleidung in der Schweizer Politik ab.

Portrait von Alain Berset
Legende: Mafiaboss oder Spitzenpolitiker? Bersets Borsalino – hier im April 2020 abgelichtet – schlug mediale Wellen. Keystone / Peter Klaunzer

Kalts Analyse vom Wechselspiel zwischen Mode und Macht mündet in einem Fazit mit Augenzwinkern: «Bei alldem sollte übrigens eines nicht vergessen werden: Das schicklichste Kleidungsstück im politischen Leben ist nicht das gut geschnittene Jackett, sondern die im moralischen Sinn untadelig weisse Weste.»

Eine Stilberatung, mit der man gewiss nie daneben liegt.

Buchhinweis

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Daniel Kalt: «Staat tragen. Über das Verhältnis von Politik und Mode.» Kremayr und Scheriau, 2023.

Eine süffig zu lesende Typologie der modischen «Message Control» mit einer Fülle von Beispielen von der internationalen Politbühne und deren Einordnung.

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SRF 1, Kulturplatz, 08.02.2023, 22:25 Uhr

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