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Die Sprache der Tiere Philosoph: «Wir müssen aufhören, Tiere zu vermenschlichen»

Besitzen Sie Haustiere? Dann haben Sie sich sicher schon einmal gefragt, was die über Sie, die Welt oder über sich selber denken. Aber: Können Tiere überhaupt denken – so ganz ohne Sprache? Oder haben sie etwa doch eine? Der Philosoph Hans-Johann Glock weiss Bescheid.

Hans-Johann Glock

Philosoph

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Hans-Johann Glock ist Professor für theoretische Philosophie an der Universität Zürich. Er beschäftigt sich in seiner Forschungsarbeit seit Jahren intensiv mit dem Geist von Tieren.

SRF: Herr Glock, haben Tiere eine eigene Sprache?

Hans-Johann Glock: Manche Tiere kommunizieren insofern, als dass sie ihre Identität kundtun. Aber ob sie auch Sachverhalte ausdrücken, ist schwer zu sagen.

Wir Menschen haben ja eine beschränkte Anzahl von sprachlichen Elementen, können diese aber auf unendlich viele Arten zusammensetzen. Die Möglichkeit, eine unbeschränkte Anzahl von Sätzen zu bilden, finden wir bei keiner Art von Tier.

Als ich kürzlich den Film «Mein Lehrer, der Krake» gesehen habe, war ich von der Intelligenz der Kraken beeindruckt.

Das ging mir genauso. Kraken sind nicht nur hochintelligent, sondern auch neugierig: Sie wollen etwas lernen und obwohl sie eigentlich eher solitäre Lebewesen sind, können sie mit Menschen interagieren.

Ein klassischer Intelligenztest wäre für Tiere problematisch.
Autor: Hans-Johann Glock Philosoph

Können Sie sich vorstellen, was in den Köpfen von Kraken vorgeht?

Wir Menschen neigen dazu, einem intelligenten Tier eine Denkblase anzudichten, kommen dann aber in Verlegenheit, wenn es darum geht, wie wir diese Denkblase ausfüllen wollen.

Sprachliche Texte scheinen nicht tauglich, Bilder aber auch nicht. Wir sollten diese Denkblasen-Idee aufgeben. Das ist eine Vermenschlichung des Tiers.

Wie würden Sie Intelligenz denn dann definieren?

Etwas salopp gesagt ist Intelligenz das, was der IQ misst. Das ist im Fall von Tieren aber nicht besonders zielführend. Ein klassischer Intelligenztest hat immer auch eine sprachliche Komponente, was für die Tiere offensichtlich problematisch ist.

Ich würde deshalb sagen: Intelligenz ist die Fähigkeit, neuartige Probleme flexibel lösen können. Es geht dabei um Versuch und Irrtum – und um den Mechanismus, zu verstehen.



Bei gewissen Tieren finden wir ein weites Intelligenzspektrum: Von Schmerzempfinden über Fairness-Verhalten bis hin zum Altruismus. Was heisst das für uns Menschen?

Die offensichtlichsten Konsequenzen für uns sind ethischer Natur. In der Moralphilosophie gibt es den Kontraktualismus: Moral beruht dabei auf einem Vertrag von Gleichwertigen.

Daraus würde folgen, dass wir Menschen zwar moralische Pflichten gegenüber Schimpansen hätten, nicht aber gegenüber Kapuzineraffen. Das finde ich falsch.

Könnten Sie das etwas genauer erläutern?

Wenn Tiere nicht nur Wünsche und Absichten in Bezug auf ihre unmittelbare Zukunft hätten, sondern aufs ganze Leben, würde das bedeuten, dass wir kein Recht hätten, Tiere zu töten. Auch dann nicht, wenn das völlig schmerzfrei geschehen würde.

Das Gespräch führte Yves Bossart.

SRF1, Sternstunde Philosophie, 28.02.2021, 11:00 Uhr. ; 

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