Das Wichtigste in Kürze:
- Die aggressive deutsche Expansionspolitik treibt Europa immer näher an einen Krieg heran.
- Fussball-WM in Frankreich: Deutschland und Österreich treten als grossdeutsches Team an. Sie scheitern in der ersten Runde.
- Europa und die Schweiz versuchen, der Flüchtlingskrise Herr zu werden. Viele Menschen fliehen aus Spanien und Deutschland.
Die Welt am Abgrund
Im Jahre 1938 stehen die Zeichen in West- und Zentraleuropa auf Krieg. Der «Anschluss» Österreichs und insbesondere die Zerschlagung der Tschechoslowakei Ende des Jahres bringen Europa an den Rand des Krieges.
Anderswo ist er bereits ausgebrochen: In Spanien wütet seit 1936 der Bürgerkrieg . General Franco hat die Unterstützung seiner faschistischen Gesinnungsgenossen Mussolini und Hitler. Diese erproben in Spanien ihre neuen Waffensysteme.
Verbrannte Erde in Asien
Japan beginnt ein Jahr zuvor mit der Eroberung Chinas und führt diesen Krieg mit aller Härte. Trauriger Höhepunkt dieser gnadenlosen Kriegsführung ist das Massaker von Nanking , das vom Dezember 1937 bis Februar 1938 dauert. Mindesten 40'000-300'000 Zivilisten und Kriegsgefangene werden ermordet, über 20'000 Frauen und Mädchen vergewaltigt.
Das Massaker von Nanking ist bei Weitem nicht das einzige Mal, dass die japanischen Invasoren eine Politik der verbrannten Erde betreiben. In Zhenjiang und Hsuchow werden zeitgleich schwere Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt.
Diese Massaker und die fehlende Aufarbeitung in der japanischen Öffentlichkeit führen bis heute immer wieder zu Spannungen zwischen Japan und China.
WM 1938
Der «Anschluss» Österreichs an das Deutsche Reich hat Folgen für die Fussballweltmeisterschaften 1938 in Frankreich. Das deutsche und das österreichische Team werden zusammengelegt.
Beide Teams gehören in den späten 1930er-Jahren zu den Topmannschaften. Doch Trainer Sepp Herberger gelingt es nicht, in wenigen Wochen aus den beiden Teams eine Einheit zu formen. Die Spielsysteme sind verschieden, und es müssen immer sechs aus dem «Altreich» und fünf aus der «Ostmark» auf dem Feld stehen. Der österreichische Stürmerstar und Kapitän der Nationalmannschaft Matthias Sindelar weigert sich, für das grossdeutsche Team zu spielen, obwohl er mehrere Aufgebote von Trainer Herberger erhält.
Die von der NS-Propaganda herbeigeschriebene «Übermannschaft» scheitert an der WM 1938 bereits in der ersten Runde an der Schweiz. Das erste Spiel endet 1:1 nach Verlängerung. Im Wiederholungsspiel führen die Deutschen schnell 2:0. In der zweiten Halbzeit schiesst André Abeggeln die Deutschen praktisch im Alleingang ab. Das Spiel endet 4:2 für die Schweizer. Die Schweiz verliert jedoch im Viertelfinal gegen den späteren Finalisten Ungarn. Weltmeister wird – wie schon 1934 – Italien.
Grenzen dichtmachen
Der «Anschluss» Österreichs und der Bürgerkrieg in Spanien führen dazu, dass immer mehr Menschen in Europa auf der Flucht sind. Die Schweiz schliesst ein Abkommen mit Nazideutschland, das unter anderem den «Judenstempel» einführt. Das grosse «J» wird bei allen deutschen Juden in den Pass gestempelt. Das Abkommen kommt zustande, da die Schweiz damit gedroht hat, die Visa-Pflicht für deutsche Staatsangehörige wieder einzuführen.
Deutsche Juden werden nur noch ins Land gelassen, wenn sie eine gültige Aufenthaltsbewilligung oder gültige Durchreisepapiere für die Schweiz besitzen.
Das Leben für Juden in Deutschland wird immer gefährlicher. Das zeigt sich in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938, in der von der NS-Propaganda so bezeichneten «Kristallnacht» .
Knapp 400 Menschen werden ermordet. Über 1400 Synagogen und Gebetshäuser zerstört und über 30'000 Menschen werden in Konzentrationslager interniert. Die Novemberpogrome markieren den Übergang von der Diskriminierung der Juden in Deutschland zur offenen Verfolgung.
Ereignisse 1938 – Ein Jahr in Bildern
Das waren die Oscars 1938
An den zehnten Oscarverleihungen erhält das Biopic «The Life of Emile Zola» den Oscar als bester Film. Der Film ist ein grosser Erfolg an den Kinokassen. Die Kritiker sprechen von der besten Filmbiografie, die bis zu diesem Zeitpunkt gedreht wurde.
Der österreichisch-amerikanische Schauspieler Joseph Schildkraut wird für seine Rolle als «Captain Alfred Dreyfus», bekannt durch die Dreyfus-Affäre , als bester Nebendarsteller ausgezeichnet. Paul Muni als Emile Zola ist zwar als bester Hauptdarsteller nominiert, der Preis geht aber an Spencer Tracy in «Captains Courageous» .
Luise Rainer gewinnt ihren zweiten Oscar für die weibliche Hauptrolle in «The Good Earth» . Im Jahr davor hatte sie bereits die Goldtrophäe gewonnen für ihre Hauptrolle in «The Great Ziegfeld» . Diese beiden Rollen können unterschiedlicher fast nicht sein. Als Anna Held in «The Great Ziegfeld» spielt sie eine Quasselstrippe, in «The Good Earth» die wortkarge chinesische Bäuerin «O-Lan».
Als Bester Nebendarstellerin wird Alice Brady in «In Old Chicago» ausgezeichnet, der Regie-Oscar geht an Leo McCarey für «The Awful Truth» .
«Entartete Musik»
Analog zur Kunstausstellung «Entartete Kunst» des Vorjahres, findet bei den Reichsmusiktagen im Mai 1938 die Ausstellung «Entartete Musik» statt. Die «Neue Musik» und «nicht-arische» Musiker wie Kurt Weill stehen als «undeutsch» am Pranger. Der als «Negermusik» bezeichnete Jazz und Swing ist den Nazis ein Dorn im Auge. Verboten wird der Jazz und Swing in Deutschland nicht, aber die Radios dürfen keinen Jazz mehr spielen.
Der despektierliche Begriff «Negermusik» wird in Deutschland noch bis in die 1960er-Jahre verwendet, bezieht sich dann aber nicht mehr alleine auf den Jazz, sondern auch auf Rock'n'Roll und die Rockmusik.
Der Skandal des Jahres
Werner von Blomberg tritt als Kriegsminister in Deutschland zurück – offiziell aus gesundheitlichen Gründen. Von Blomberg heiratet am 12. Januar 1938 die 35 Jahre jüngere Margarethe Gruhn. Adolf Hitler und Hermann Göring sind die Trauzeugen. Margarethe Gruhn stand ein paar Jahre davor Modell für Nacktaufnahmen. Mit diesen Bildern als Beweismaterial wird von Blomberg vor die Entscheidung gestellt: Annullierung der Ehe oder Rücktritt. Von Blomberg tritt zurück, erhält eine grosszügige Abgangsentschädigung.
Dem Oberbefehlshaber des Heeres Werner von Fritsch ergeht es ähnlich. 1938 wird auch er entlassen. Ihm wird der Prozess wegen Homosexualität gemacht. Das Verfahren endet zwar in einem Freispruch, von Fritsch wird aber nicht wieder in seiner Position als Oberbefehlshaber des Heeres eingesetzt.
Das Kriegsministerium wird in das Oberkommando der Wehrmacht umgewandelt. Hitler persönlich wird Oberbefehlshaber.