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Effektiver Altruismus Lässt sich Nächstenliebe optimieren?

Kurz vor Weihnachten stellen sich viele Menschen die Frage: Wie können wir anderen helfen? Der Effektive Altruismus verspricht, die Welt nach rationalen Kriterien zu verbessern. Klingt gut, hat aber auch Haken.

Der Kerngedanke des Effektiven Altruismus ist: sich nicht von Gefühlen leiten zu lassen, sondern unser Geld möglichst effektiv einzusetzen. Im Fokus: das Leiden vieler, effiziente Ressourcennutzung und bisher vernachlässigte Bereiche wie die Prävention von Pandemien ins Auge fassen.

Jedes Menschenleben soll gleich viel wert sein, egal wo es existiert. Diese nutzenorientierte Ethik legt nahe, dass wir moralisch verpflichtet sind, Gutes zu tun, und zwar mit maximaler Wirksamkeit. Die Bewegung ist geprägt von Denkern wie Peter Singer und William MacAskill.

Die Zukunft ist ungewiss  

Trotz der lobenswerten Absichten hat der Effektive Altruismus Kontroversen entfacht: Die Bewegung strebt beispielsweise mittels des sogenannten «Longtermismus» langfristige Lösungen für kommende Generationen an. Doch wie können wir heute entscheiden, ob ein gegenwärtiges Problem weniger wichtig ist als etwas, das wir in der Zukunft prognostizieren?

Konzentrieren wir uns auf die Rettung künftiger Generationen, vernachlässigen wir vielleicht heutige Bedürfnisse. In der Not- und Katastrophenhilfe zeigt sich das besonders: Es ist schwierig, langfristige Nachhaltigkeit zu bedenken, wenn das Ziel jetzt ist, Tausende zu retten.

Was bedeutet «Longtermismus»?

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«Longtermismus» priorisiert die Zukunftsgenerationen. Angesichts einer potenziell unendlich grösseren Anzahl von Menschen hat ihre Erhaltung höchste Priorität. Der schottische Philosoph und Ethiker William MacAskill beschreibt unsere kommenden Nachkommen als «die stillen Milliarden». Er zieht einen Vergleich zu rechtlosen Gruppen aus der Vergangenheit, die lange Zeit um ihre Belange kämpfen mussten.

Langfristig geht es darum, in Projekte zu investieren, die unter anderem auf künstliche Intelligenz abzielen. Diese könnten künftige Katastrophen und Krisen bewältigen und verhindern.

Wo bleibt die Menschlichkeit?

Kritiker und Kritikerinnen aus den Bereichen Theologie und Ethik argumentieren auch, dass der Effektive Altruismus zur Entmenschlichung beitragen könnte. Nach dessen Prinzipien dürften Spendengelder theoretisch nur in Entwicklungsländer fliessen, wo das Geld am effektivsten eingesetzt werden kann.

Doch was ist mit der Nächstenliebe und den lokalen Hilfsprojekten?

Strukturelle Probleme bleiben erhalten

Eine weitere Kritik am Effektiven Altruismus ist etwa, dass die Lösungen nur oberflächlich seien. Das sogenannte «Earn to Give»-Prinzip könne enorme Vermögen akkumulieren. Jedoch würde es verpasst, strukturelle Ungerechtigkeiten als solche zu adressieren.

Was ist das «Earn-to-Give»-Prinzip?

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Ein zentraler Grundsatz des Effektiven Altruismus ist das «Earn-to-Give»-Prinzip. Es besagt, dass es besser ist, in Jobs mit gutem Gehalt zu arbeiten und dann mehr Geld für Wohltätigkeiten zu spenden, anstatt direkt bei Hilfsorganisationen zu arbeiten.

Ein markantes Beispiel hierfür ist der bekannte Vertreter des Effektiven Altruismus, Sam Bankman-Fried. Der wohlhabende Krypto-Händler erlangte seinen Reichtum durch seine Firma FTX. Er versprach, den Grossteil seines enormen Vermögens von 26,5 Milliarden Dollar für wohltätige Zwecke zu spenden. Aber im November dieses Jahres wurde er wegen schweren Betrugs und Geldwäsche verurteilt.

Es ist also zutreffend, dass Bankman-Fried sich aktiv für die Lösung sozialer Probleme einsetzte. Gleichzeitig verkörperte er Aspekte der strukturellen Herausforderungen, die diese Probleme überhaupt erst entstehen lassen.

Der Effektive Altruismus hat wichtige Diskussionen über Wohltätigkeit und humanitäres Engagement angestossen. Dennoch stellt sich die Frage, ob er durch das rationale Agieren nicht die Empathie und die Berücksichtigung der aktuellen Bedürfnisse vernachlässigt.

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Radio SRF 3, Giiget’s, 23.12.2023, 9:00 Uhr

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