Auf dem Weg zwischen Gemeindehaus und Kirche wirkt Elke Kreiselmeyer aufgebracht. Fast, als hätte sie eine heilige Wut gepackt. Die Gemeindeleiterin der römisch-katholischen Kirche St. Stephan (BL) erzählt von den grossartigen Frauen der letzten Jahrhunderte, die es nicht in die Geschichtsbücher schafften. Freiheitskämpferinnen, Künstlerinnen, Schriftstellerinnen.
Was sie als Theologin besonders ärgert, ist der Umgang mit Frauen aus der Geschichte des Christentums, erzählt sie später im Kirchenraum. Dieser ist komplett eingerüstet – die Kirche wird gerade renoviert.
Absichtliche Übersetzungsfehler
Feministische Theologinnen hätten in den letzten Jahrzehnten nachgewiesen, dass in den Anfängen der Kirche auch Frauen wichtige Rollen spielten: «Es gab Apostelinnen, Gemeindeleiterinnen, Missionarinnen – aber man hat uns nie von ihnen erzählt.»
Zwar werden einige Frauen im Neuen Testament der Bibel erwähnt, doch ausser Maria haben es nur Männer ins kollektive Gedächtnis der Christenheit geschafft.
Das habe System, meint Kreiselmeyer. Als Beispiel nennt sie die Apostelin Junia, aus der in Bibelübersetzungen der Apostel Junias wurde. Aus der Diakonin Phoebe wurde in der Überlieferung eine Dienerin.
Wiederentdeckte «Heilige»
Junia, Phoebe und sechs weiteren Frauen wird jetzt in Therwil stellvertretend ein Denkmal gesetzt. In Form eines zeitgenössischen Gemäldes. Im Zuge der Renovierung wird das Ölgemälde in die Wand eingelassen, als sei es wiederentdeckt worden – ebenso wie die Frauen der frühen Kirche von der feministischen Forschung.
Auf Augenhöhe mit den Betrachterinnen und Betrachtern sitzen acht Frauen gemeinsam am Tisch und unterhalten sich bei Brot und Wein. Die Szene soll an das Abendmahl und an Heiligenfiguren erinnern. Doch es sind Frauen aus dem Hier und Jetzt, die auch in einem Restaurant sitzen könnten.
Frauen ein Gesicht geben
Die Namen der Frauen werden in die Kassetten der Empore geschrieben: Junia, Phoebe, eine namenlose Prophetin, die Missionarin Martha, die Jüngerin Maria von Magdala, die Missionarin Priska, die Gemeindeleiterin Lydia und die Märtyrerin Thekla.
Der Kirchgemeinderat war einstimmig für dieses Projekt und schrieb es nur für Künstlerinnen aus. Gewonnen hat Corinne Güdemann aus Zürich. Sie freue sich, Frauen ein Gesicht zu geben, sagt sie. «Besonders in einer Institution wie der katholischen Kirche, die Frauen diskriminiert.»
Den Fokus des Gemäldes legte sie auf die Beziehungen: «Beim Malen konzentrierte ich mich auf die Gesichter, die Blickrichtungen und den Kontakt der Frauen untereinander.»
Die Kirche braucht Vorfahrinnen
Jetzt wird das Gemälde aus dem Zürcher Atelier nach Therwil gebracht und in die Kirchenwand eingelassen. Wiedereröffnung und Vernissage sind für den 17. November geplant.
Gemeindeleiterin Elke Kreiselmeyer schmerzt es, dass Frauen immer wieder «von ihrer Geschichte abgeschnitten wurden.» Sie wünscht sich, «dass es niemanden mehr gibt, der die Apostelin Junia nicht kennt». Sie ist überzeugt, dass Menschen dringend Vorfahrinnen brauchen. Besonders in der Kirche.