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Eine Kirche der Zukunft? Viele Kirchen stehen leer, Bettingen baut eine neue

Sie werden geschlossen, umgenutzt oder verkauft: Schweizer Kirchen haben's heute schwer. Die kleine Gemeinde Bettingen aber baut eine neue.

Bettingen im Kanton Basel-Stadt: idyllisch gelegen im Grünen, mit einer kleinen Dorfkirche mittendrin. Besser gesagt: eine Holzbaracke mit Minitürmchen, provisorisch hingestellt in den 1960er-Jahren. Der leicht verlotterte Charme des Kirchleins ist nicht ohne Zauber. Weil es die einzige Kirche im Dorf ist, ist sie der Einwohnerschaft ans Herz gewachsen.

Doch langsam sei es genug, finden die Bettingerinnen und Bettinger. Das Dach ist undicht und für Vorträge, Lesezirkel, Gottesdienste, Sonntagschule, Taufen und Hochzeiten muss der kleine Kirchenraum jedes Mal ummöbliert werden.

«Diese Kirche lebt, aber sie ist zu klein für das Dorf», meint Andreas Hindemann, Basler Münsterbaumeister und Architekt. Er darf anstelle der Baracke eine neue Kirche bauen.

Reich an Kirchen, arm an Kirchgängern

Ein seltener Auftrag, denn normalerweise drehen sich die Diskussionen eher darum, woher das Geld kommen soll, um die immer leerer werdenden Kirchen zu betreiben. In den letzten Jahren wurden deshalb in der Schweiz 200 Kirchen geschlossen, umgenutzt oder verkauft.

Auch abreissen ist kein Tabu mehr. Demnächst wird in Basel in einem Aussenquartier die Markuskirche abgerissen. «Die Glocken dieser Kirche kommen nach Bettingen, ins neue Kirchlein», erzählt Andreas Hindemann nicht ohne Stolz. «In einen zwölf Meter hohen Glockenturm, damit die Gemeinde sieht: hier ist Kirche.».

Die drei Millionen für das neue Kirchlein hätte sich die evangelisch-reformierte Kirche Basel nie leisten können. Zusammengekommen ist das Geld dank privaten Spenden. Hauptsächlich aus dem Dorf. Mit 107 gegen 6 Stimmen hat auch die Gemeindeversammlung 400’000 Franken für den Neubau bewilligt.

Von der Sonntagskirche zur Siebentagekirche

Die neue Kirche ist immer noch klein. Aber sie ist besser organisiert: «Eine Kirche der Zukunft», erklärt Andreas Hindemann. Ebenerdig findet sich ein zweigeteilter Andachtsraum mit Foyer für die entsprechenden Veranstaltungen, im Souterrain sind drei Räume für unterschiedliche Zwecke. «Ein Mittagstisch ist ebenso möglich wie ein Gebetszirkel und Jugendarbeit», sagt Hindemann. «Wir haben hier keine Sonntagskirche, sondern eine Siebentagekirche.»

Ein Schritt in die Zukunft? Möglich, meint auch Michel Müller, Kirchenratspräsident der reformierten Zürcher Kantonalkirche. Seine Kirchgemeinden zählen zwar zu den reichsten der Schweiz, doch auch bei ihnen ist der Spardruck hoch und leere Kirchen ein grosses Thema.

Statt Umnutzung intensive Nutzung

Aber die Kirchen stehen auch deshalb leer, weil man die ganzen Begleitnutzungen in die Gemeindehäuser verbannt habe, sagt er. «Damit hat man die Kirchen entseelt, sie aus der Mitte der Gemeinschaft herausgenommen». Statt für Umnutzungen plädiert er deshalb für intensivere Nutzung.

In Bettingen ist das möglich geworden, weil der Neubau den Wünschen der Gemeinde angepasst worden ist. In den grossen, vor allem alten Kirchen, ist das nur bedingt möglich. Denn Umnutzungen erfordern Eingriffe in die originale Bausubstanz.

Hier legt dann die Denkmalpflege den Finger drauf, was seitens der Kirche zu mehr oder weniger heftigen Diskussionen führt, wer denn eigentlich das Sagen habe.

Diskussionen, die angesichts der leeren Kirchenkassen zunehmend an Heftigkeit gewinnen dürften. Auch da liefert Basel mit dem Streit um die marode Elisabethenkirche zurzeit ein aktuelles Beispiel.

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