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Ende der Political Correctness Geht's dem Anstand an den Kragen?

Rassistische und sexistische Bemerkungen werden in Wahlkämpfen eingesetzt. Experte Nobert Bolz zum Paradigmenwechsel.

SRF: Wie definieren Sie Political Correctness?

Zur Person

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Norbert Bolz ist Professor am Institut für Sprache und Kommunikation, Fachgebiet Medienwissenschaft an der TU Berlin. Er forscht zu Neuen Medien, zu Medien als Religionsersatz sowie zur Netzwerklogik.

Norbert Bolz: Als politischen Moralismus und als Sprachhygiene: ein neues Jakobinertum. Es geht also um den Tugendterror von Leuten, die alle politischen Fragen zu moralischen Fragen verkürzen und alle Andersdenkenden dann vor ein Tribunal rufen. Das funktioniert über einschüchternde Sprachtabus, die eine allgemeine Verunsicherung darüber erzeugen, was man überhaupt noch sagen darf.

Die AfD-Politikern Alice Weidel sagte kürzlich, die politische Korrektheit sei auf den «Müllhaufen der Geschichte» zu werfen. Stimmen Sie ihr zu?

Das Problem ist: Wer der AfD in irgendeiner Sache zustimmt, macht sich in Deutschland zum Rechtsextremen.

Politisch korrekt bedeutet auch, keine rassistischen oder sexistischen Witze zu machen. Ist es denn Ihrer Meinung nach falsch, auf einen gewissen Anstand zu pochen?

Den politisch Korrekten geht es nicht um Anstand, sondern um eine Sprachpolitik, die Andersdenkende zum Schweigen bringt. In Amerika nennt man das «Silencing».

Den politisch Korrekten geht es nicht um Anstand, sondern um eine Sprachpolitik, die Andersdenkende zum Schweigen bringt. In Amerika nennt man das ‹Silencing›.

Sie sagen, viele Medien betrieben eine Art «Moralpranger». War das früher anders?

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Neu ist, dass man bei den wichtigsten Themen – wie etwa Flüchtlingspolitik oder Europa – die traditionelle journalistische Trennung von Information und Meinung aufgegeben hat.

Gut, aber mindestens bei «klassischen» Medien – zu denen wir den öffentlichen Rundfunk hinzuzählen – wird klar zwischen Bericht und Meinung unterschieden. Oder beobachten Sie etwas anderes?

Hier hat sich in den letzten Jahren zumindest in Deutschland sehr Wesentliches geändert. Es gibt eine grosse Koalition zwischen der politischen «Grossen Koalition» und den Mainstream-Medien, die sich wie Mehltau über das Land legt. Natürlich gibt es immer noch Qualitätsmedien wie die FAZ, oder in der Schweiz eben die NZZ, die Information und Meinung noch zu trennen wissen.

Natürlich gibt es immer noch Qualitätsmedien, die Information und Meinung noch zu trennen wissen.

Aber gerade in ARD und ZDF tendiert man immer mehr zur regierungsnahen Berichterstattung mit scharfen moralischen Sanktionen für diejenigen, die in Fragen wie Flüchtlinge, Atomausstieg, politische Einheit der EU, Griechenland-Finanzierung nicht auf Merkel-Kurs sind. «Rechtspopulistisch» ist zum Totschlag-Begriff geworden.

Donald Trump hat wahrlich an der Grenze der Political Correctness gekratzt mit seinen Witzen über Behinderte und seinen sexistischen Sprüchen. Dennoch hat er die Wahlen gewonnen. Ist er die Leitfigur einer neuen Kultur, die der Political Correctness den Todesstoss versetzt?

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Norbert Bolz ist Gast in der Sternstunde Philosophie vom 14. Mai. Beim «philosophischen Stammtisch» diskutiert er mit Catherine Newmark, Konrad Paul Liessmann und Barbara Bleisch über das Prinzip der Political Correctness.

Der Erfolg von Trump ist das, was Psychologen eine Reaktionsbildung nennen. Nach dem Tugendterror von Links geniesst man die politisch unkorrekten Unverschämtheiten.

Somit gehört die Verletzung der Political Correctness heute zum Standardarsenal eines erfolgreichen Wahlkampfes?

Nein, das funktioniert nur in einem Land, das die politische Korrektheit schon ins Absurde getrieben hat – quasi als Reaktionsbildung. So weit sind wir in Europa – trotz Brüssel – noch nicht.

Erwarten Sie also bei den Bundestagswahlen im Herbst einen noch vulgäreren Wahlkampf?

Die Wahlen werden wenig ändern. Frau Merkel ist fast schon wieder auf der alten Beliebtheitshöhe, und die AfD hat ihre beste Zeit schon hinter sich. Die Angst vor Rechts ist hysterisch.

Das Gespräch führte Markus Matzner.

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