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Eine ältere Frau mit weissem Kragen und blauem Pulli.
Legende: Eva Schloss ist die Stiefschwester von Anne Frank. Wie diese versteckte sie sich vor den Nazis. Getty Images
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Erinnerung bewahren Anne Franks Stiefschwester bekommt eine virtuelle Doppelgängerin

  • Mit neuer Technologie sollen Aussagen von Zeitzeugen des Holocaust zukünftige Generationen erhalten bleiben.
  • Die Auschwitz-Überlebende Eva Schloss beantwortete über 1000 Fragen vor 116 Kameras. Daraus ist eine virtuelle Doppelgängerin in 3D entstanden.
  • In einem New Yorker Museum kann man der virtuellen Eva Schloss Fragen stellen – und kommt so ihrer Geschichte näher.

Ein etwa zehnjähriges Mädchen steht vor einem Mikrofon im «Museum of Jewish Heritage», Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen in New York und fragt die 89-jährige Eva Schloss nach ihrer Lieblingsfarbe. Anschliessend fragt sie danach, was sie glücklich macht und welche Erinnerungen sie an den Zweiten Weltkrieg hat.

Auf all diese Fragen erhält sie sofort eine Antwort: von der 3D-Version der Holocaust-Überlebenden, einer Art interaktiven Doppelgängerin von Eva Schloss.

Die virtuelle Realität machte es möglich, ein interaktives, dreidimensionales Video von Eva Schloss zu konzipieren. Über 1000 Fragen wurden der Zeitzeugin gestellt und ihre Antworten von 116 Kameras rundum erfasst.

Antworten auf zukünftige Fragen

Möglichst vielen Menschen – nicht nur Kindern in Schulen und Ausstellungen – soll das die Möglichkeit geben, Fragen zu stellen, die vermutlich sonst so nicht gestellt werden würden.

Das Projekt ist ein faszinierendes Beispiel dafür, wie menschliche Erinnerungen mithilfe neuer Technologien dokumentiert und abgerufen werden können. Und auch wie es die Technik ermöglicht, dass zukünftige Generationen wichtige Erfahrungen der Vergangenheit verstehen und gar nachempfinden können.

Parallelen zu Anne Frank

Eva Schloss ist eine Frau, der man zuhören will. Als «posthume» Stiefschwester von Anne Frank – ihre Mutter heiratete 1953 Otto Frank, den Vater Annes – ist sie bekannt.

Aber sie hat auch eine eigene Geschichte zu erzählen: Am 11. Mai 1929 in Wien geboren, emigrierte ihre Familie 1938, nach dem Anschluss Österreichs an Deutschland, über Belgien in die Niederlande. Genau wie Anne Frank musste auch sie sich verstecken.

Im Mai 1944 wurde die jüdische Familie ebenfalls verraten – von einer niederländischen Krankenschwester. Sie wurden gefangen genommen und in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau gebracht.

Eva Schloss' Geschichte im Museum

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«New Dimensions in Testimony» , Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnenist ein Projekt der USC Shoah Foundation , Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen– eine NGO, die Steven Spielberg 1994 nach dem Dreh von «Schindlers Liste» gründete.

Die Pilot-Ausstellung mit den Holocaust-Überlebenden Eva Schloss und Pinchas Gutter ist bis 29. April im Museum of Jewish Heritage, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen in New York zu sehen.

Eva Schloss’ Vater und Bruder überlebten das Lager nicht. Ihre Mutter und sie selbst wurden 1945 von sowjetischen Truppen befreit. Anschliessend kehrten beide nach Amsterdam zurück, wo Eva später an der Universität Kunstgeschichte studierte. Mit ihrem Mann Zvi gründete sie eine Familie und lebt heute in London.

«Hör auf zu hassen»

Eva Schloss musste lernen, wieder an das Gute im Menschen zu glauben. Der Hass auf die Nazis, die Deutschen, aber auch auf die Länder, die flüchtende Juden nicht aufnehmen wollten, sass bei ihr tief.

Ihr Stiefvater Otto Frank sagte einst zu ihr: «Hör auf zu hassen.» Dieses Motto hat sie sich zu Herzen genommen und versucht, danach zu leben und zu handeln.

Sie scheut sich auch nicht, Parallelen zur heutigen Situation der Flüchtlinge zu ziehen, denen wie damals der Eintritt in sichere Länder verwehrt wird. Umso wichtiger ist ihr daher andere darüber aufzuklären, was damals geschehen ist und was nie wieder geschehen soll.

Schon bevor ihre virtuelle Version existierte, berichtete Eva Schloss in Schulen über ihre Erlebnisse im Holocaust. Diese «Zukunftsarbeit» für kommende Generationen zu leisten, ist ihr ein grosses Anliegen. Vor allem auch deshalb, weil sie eine der letzten und wenigen Zeitzeugen des Holocaust ist.

Dieser Artikel erschien ursprünglich bei 3sat.de., Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen

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