Kennt Hildisrieden im Kanton Luzern das Geheimnis für erfolgreiche Integration? Das gute Zusammenleben von Dorfbewohnern und Asylsuchenden habe viele Gründe, sagt Gerda Jung, die für Soziales zuständige CVP-Gemeinderätin.
Der Hauptgrund sei eine gewisse Offenheit der Hildisriedener: «Hildisrieden war ein Bauerndorf. Die Landwirtschaft wird heute noch gelebt. Man weiss, was Dorfleben heisst. Auch das Vereinsleben ist noch sehr lebendig. Das heisst auch offen sein gegenüber anderen – und so ist man auch den Eritreern gegenüber offen.»
«Die Leute in Hildisrieden verstehen uns»
19 junge Männer aus Eritrea leben seit etwas mehr als einem Jahr im 2300-Seelen-Dorf. Die Eritreer seien alle friedliebend und respektvoll im Umgang mit der einheimischen Bevölkerung, betont Gerda Jung.
Genauso verläuft es in umgekehrter Richtung: Es gibt viele freiwillige Hildisriedener, die mit den Asylsuchenden Velos flicken und fahren, joggen oder Fussball spielen.
Am wichtigsten sei jedoch der Deutschunterricht, den einige Dorfbewohner zweimal in der Woche anbieten. Dies findet auch der 31-jährige Tesfalem Nemuy. Er ist vor zwei Jahren aus Eritrea in die Schweiz geflohen. «Wenn du nicht Deutsch sprechen kannst, ist das ein grosses Problem. Aber die Leute in Hildisrieden verstehen und helfen uns.»
Anfängliche Ängste
Diese Offenheit und Bereitschaft zur Freiwilligenarbeit erklärt sich Gerda Jung mit der guten wirtschaftlichen Situation von Hildisrieden. Dem Dorf gehe es gut und es drohe keine Fusion mit einer Nachbargemeinde.
Ganz so problemlos läuft die Integration in Hildisrieden jedoch nicht ab: So sind im Dorf zu Beginn Ängste von Eltern dagewesen, wenn die jungen eritreischen Männer auf dem Schulhof mit den jungen Mädchen redeten und sich anfreundeten. Um diese Wogen zu glätten, hat man sich für eine präventive Lösung entschieden.
«Es gibt Sperrzeiten auf dem Schulhausareal», sagt Gerda Jung. «In der Freizeit, wenn die Schüler zuhause sind, können die Eritreer das Fussballfeld benutzen.»
Ein Schuhpark vor der Kirche
Das Zusammenleben der asylsuchenden Eritreer und der einheimischen Bevölkerung ist in Hildisrieden also eine Mischung aus strategischen Massnahmen und glücklichen Umständen.
Die Religion der Flüchtlinge spiele auch eine Rolle, sagt Gerda Jung. Denn da sie orthodoxe Christen sind, sei es zu ganz besonderen Situationen des kulturellen Austauschs gekommen, als sie vor Ostern die Kirche nutzten:
«Für uns war interessant, wie sie sich gekleidet haben und dass sie die Schuhe draussen stehen liessen. Wir hatten einen Schuhpark vor der Kirche. Das war ein Erlebnis für viele Bürger. Man hat das begeistert mitgetragen.»
Lernprozess auf beiden Seiten
Der bisherige Höhepunkt an kulturellem Austausch hat am vergangenen Wochenende stattgefunden, am ersten Schweiz-Eritrea Fest von Hildisrieden. Mit traditionellem Essen und Musik aus beiden Ländern. Ein schönes Beispiel, betont Gerda Jung.
Was aber nicht heisst, dass es nicht noch viel zu tun gibt: «Ich kann nicht erwarten, dass sich die Kultur nach einem Jahr voll an die Schweizer Kultur angepasst hat. Das ist ein Prozess. Und das braucht Verständnis. Es ist für beide Seiten ein grosses Lernpotenzial.»
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 28.08.2017, 17:08 Uhr