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Gesellschaft & Religion Europa tut sich schwer mit den Zuwanderern

Der Dokfilm «Life in Paradise» des Schweizer Filmemachers Roman Vital zeigt, wie eine Bündner Gemeinde mit den Asylbewerbern eines Ausreisezentrums umgeht. Gleichzeitig versucht ein umstrittenes deutsches Sendeformat für das Thema zu sensibilisieren.

42 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Viele zieht es nach Europa. Unter schwierigsten Bedingungen. Europa wiederum ist zunehmend überfordert mit den Menschen, die sich hier eine bessere Zukunft versprechen. Ausdruck davon ist auch das neue Asylgesetz in der Schweiz und die Schaffung so genannter «sensibler Zonen». Die Ängste der Bevölkerung werden ernst genommen, Kontakte zu den Migranten zunehmend vermieden. Begegnungen wären aber eine Voraussetzung dafür, dass aus Vorurteilen Urteile würden.

Der Schweizer Filmemacher Roman Vital untersucht in seinem Dokumentarfilm «Life in Paradise – Illegale in der Nachbarschaft» den Umgang der einheimischen Bevölkerung mit Asylbewerbern. Durch persönliche Erlebnisse mit den Migranten motiviert, befasste er sich drei Jahre lang mit dem kleinen Bündner Bergdorf Valzeina, an dessen Rande ein Nothilfezentrum für abgewiesene Asylbewerber steht.

Eine gespaltene Dorfgemeinde

In dem Film versucht er, alle Stimmen des Dorfes einzufangen und Gegnern sowie den Befürwortern gerecht zu werden. Die europaweite Spaltung der Bevölkerung in der Wahrnehmung von Asylbewerbern wird am Beispiel der kleinen Schweizer Dorfgemeinde deutlich: Während ein Grossteil der Dorfbewohner das Nothilfezentrum ablehnt, gründen andere den Verein «Miteinander» und verbringen Zeit mit den abgewiesenen Asylbewerbern.

Roman Vital zeigt, dass es unterschiedliche Auffassungen davon gibt, wie man Asylbewerbern begegnen sollte. Die einen stehen ein für Begegnung und Unterstützung, die anderen hinterfragen jeden Kontakt, da die meisten Asylbewerber nur temporär da sind und jederzeit wieder weg sein könnten.

Kein Ausweg, keine Perspektive

Video
Roman Vital: «Es geht gar nicht, dass man Menschen zu Menschen bringt, ohne dass sie miteinander Kontakt aufnehmen.»
Aus Kultur Extras vom 24.08.2013.
abspielen. Laufzeit 39 Sekunden.

Begegnungen bauen Ängste ab und schaffen Mitgefühl. Genau dies versucht der Filmemacher mit dieser leisen Dokumentation zu vermitteln. Vor allem aber wird die Ausweglosigkeit der betroffenen Asylbewerber spürbar, wie sie ohne jegliche Perspektive in diesem Ausreisezentrum leben.

Wie offen ist die Teils abgestumpfte Öffentlichkeit überhaupt, sich dem Schicksal von Flüchtlingen zu widmen? Dokumentarfilme sind von hoher Qualität, erreichen jedoch oft das immer gleiche, ohnehin sensibilisierte Publikum.

Fernsehshow schickt Europäer auf die Reise

Dieses Problem haben die Macher der neuen Reality-Fernsehshow «Auf der Flucht – Das Experiment» erkannt. In «Dschungelcamp-Manier» schickt das ZDF deshalb sechs Kandidaten von Deutschland nach Eritrea und in den Irak. Sie sollen die Reise der Flüchtlinge in die andere Richtung machen, um so für sich und den Zuschauer nachvollziehen zu können, was Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa durchmachen.

Unterwegs stossen Kandidaten auf Schlafplätze von obdachlosen Flüchtlingen in Rom oder auf Flüchtlingslager an der griechisch-türkischen Grenze. Durch die Begegnungen mit den Flüchtlingen machen absichtlich wild zusammengewürfelte Kandidaten einen Wandel in ihrer Haltung gegenüber Asylbewerbern durch. Auch die inneren Konflikte der Gruppe werden gezeigt. Eine dramatische Kommentatorenstimme wie etwa in «Deutschland sucht den Superstar» untermauert den Look einer Privatsender-Reality-Show.

Ziel: neue Blicke auf Flüchtlinge eröffnen

Video
Daniel Gerlach: «Wir müssen uns mit unserer eigenen Haltung stärker auseinandersetzen.»
Aus Kultur Extras vom 26.08.2013.
abspielen. Laufzeit 1 Minute 27 Sekunden.

In den Feuilletons wird Kritik laut. «Hier wird reisserischer Voyeurismus auf dem Rücken der Ärmsten der Armen betrieben», moniert der Fernsehkritiker Holger Kreymeier. Ähnlich der langjährige Koordinator des Deutschen Menschenrechts-Filmpreises, Claus Laabs: «Das ist nicht im Ansatz so, wie es Flüchtlingen in ihrer Verzweiflung und Todesangst ergeht.» Die vierteilige Serie bleibe «bei der plakativen Betroffenheit stehen».

Den Initianten der Sendung, wie dem Filmemacher Daniel Gerlach, geht es darum, mit provokativen Mitteln einen anderen Blick auf Flüchtlinge zu erreichen. Der Normalbürger soll sie für einmal nicht nur als amorphe Flut betrachten, die in Sozialsysteme einwandert, sondern als Menschen, die aus ihrem Leben etwas machen wollen. Als Menschen die gestaltungsfähig und -willig sind.

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