Wo sonst Autos fahren, Camions unterwegs sind oder Töffli vorbeizischen, geht es an diesem 22. September 2000 einmal gemächlicher zu. Für einen Tag macht die Blechlawine Platz für Fussgänger, Velofahrerinnen oder Kinder mit Kreide – wie der kleine Bastian in Basel, der sein Revier markiert: «Betreten verboten!»
Währenddessen fahren andere in La Chaux-de-Fonds mit dem Trottinett über die Strasse oder geniessen in Zürich die neu gewonnene Freiheit als Fussgängerin – sowie die ungewohnte Ruhe. Richtig toll sei es, so zu flanieren. Man habe das Gefühl, sich endlich mal richtig Zeit nehmen zu können, um die Stadt zu erleben, so eine Passantin. Ohne ständig auf Autos achten zu müssen.
Aktionstag für neues Denken
Insgesamt 14 Schweizer Städte beteiligen sich an diesem Freitag an der Aktion. In ganz Europa sind es über 800, die mitmachen und dem Beispiel aus Frankreich folgen. Denn dort hatte die Aktion zwei Jahre zuvor erstmals stattgefunden. Im Jahr darauf schlossen sich Städte in Italien sowie Genf an. 2000 rief die EU Umweltkommissarin dann zum europaweiten Aktionstag auf.
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Bild 1 von 2. Auch ganz im Westen Europas, in Lissabon, gehört die Strasse am 22. September 2000 den Velos und Trams dieser Welt. Bildquelle: Keystone/AP Photo/Gael Cornier.
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Bild 2 von 2. Der Marques de Pombal Platz ist ausser einer Handvoll Fahrzeuge wie verwaist. Bildquelle: Keystone/EPA Photo/Lusa/Antonio Cotrim.
Das Ziel beschrieb eine der Organisatorinnen aus Zürich damals so: «Wir wollen die Leute motivieren, ihr persönliches Verkehrsverhalten mal wieder zu hinterfragen und vielleicht auch mal ein neues Transportmittel auszuprobieren.» Doch während die einen tatsächlich Kickboard und Inlineskates ausprobierten, mussten andere Umwege fahren, standen im Stau oder waren einfach nur genervt. Es habe mehr Stau als sonst, sagen die einen. Es hat immer viel Stau, entgegnen die anderen.
Gemischte Bilanz
Entsprechend durchwachsen fiel die Bilanz nach dem Verkehrstag aus. Zwar meldete etwa Genf, dass man 15 Prozent weniger Autos gezählt habe an jeden Tag. In Zürich dagegen habe es morgens um sieben Uhr etwa gleich viele Autos gehabt wie sonst auch, sagte die Stadt. Auf den Zeitungsseiten des Folgetages war etwa zu lesen: «Ein fast normaler Autopendler-Tag».
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Bild 1 von 2. Am Aktionstag sollen auch alternative Verkehrsmittel erprobt werden. Das scheinen nur nicht alle Autofahrer in Genf mitbekommen zu haben. Bildquelle: Keystone/Martial Trezzini.
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Bild 2 von 2. In der Zürcher Innenstadt zeigt sich ein anderes Bild: Offiziell ist der Gesamtverkehr am 22. September 2000 jedoch nur in Genf gesunken. Bildquelle: Keystone/Steffen Schmidt.
Und doch: Während über mancher Strasse genauso viel Abgas in der Luft wie sonst auch, zierten andernorts Kreidekunstwerke die Strassen und verwandelten sich in bunte Spielflächen. Für ein paar Stunden musste man sich nicht vor Autos in Acht nehmen – sondern vor Rikschas und sonstigen Gefährten.