Am 1. September 1997 landen sechs Kriminelle den grossen Coup: Sie überfallen die Zürcher Fraumünster-Post und erbeuten 53 Millionen Franken.
Die Tat geht als Jahrhundert-Postraub in die Schweizer Geschichte ein. Ein Fall, der bis heute fesselt – und Stoff ist für eine aktuelle Doku-Fiktion und einen neuen Podcast bei SRF.
Weshalb faszinieren uns Banküberfälle so? Weil sie die Mächtigen angreifen, sagt Kulturwissenschaftler Klaus Schönberger.
SRF: Nach dem Postraub vom 1997 wurden die Täter teils wie Helden gefeiert, obwohl sie Kriminelle sind, Menschen mit Waffen bedroht haben. Verletzt wurde allerdings niemand – ist das vielleicht ein Grund für eine solche Verehrung?
Klaus Schönberger: Dass damals niemand verletzt wurde, ist sicher hilfreich für einen solchen romantischen Blick. Aber Gewalt ist bei der Frage der Bewunderung von solchen Kriminalfällen nur ein Aspekt.
Viel wichtiger ist hier das Opfer des Überfalls: Würde man einer Grossmutter die Handtasche oder einem Tankwärter die Tageskasse stehlen, dann hätte das eine ganz andere Bedeutung.
Bei dem Postraub funktioniert aber die Bank als Gegner. Sie steht für «die da oben».
Kann man unser Verhältnis zu Bankräubern als ambivalent beschreiben?
Es gibt unzählige Beispiele in der Kulturindustrie, die das verdeutlichen. Etwa Filme oder Lieder, in denen wir eine Form von Mystifizierung und Romantisierung des Banküberfalls finden.
Der reale Ablauf ist viel unromantischer – und viel problematischer. Das gilt für alle Beteiligten, sowohl für die Opfer des Bankraubs, konkret die Angestellten, als auch für die Täter. Diese sind durchaus nervös und bei weitem nicht so elegant und souverän, wie sie oft dargestellt werden.
Der Bankräuber als Held – an welche plakativen Beispiele aus der Kulturgeschichte denken Sie da?
Eines der berühmtesten Beispiele sind «Bonnie und Clyde». In der Realität waren sie ganz ordinäre Verbrecher. Aber in Folge des Films von Arthur Penn von 1967 sind sie quasi zu mythischen Gestalten aufgestiegen.
In der Popkultur symbolisiert das Delikt ganz andere Aspekte.
Diese Mystifizierung hat natürlich auch viel mit der 68er-Zeit zu tun, mit der Idee von Rebellion und Aufbegehren. Es werden in der Popkultur ganz andere Aspekte transportiert, die durch das Delikt symbolisiert werden.
Bankraub ist im Vergleich mit anderen Verbrechen mit hohen Gefängnisstrafen belegt. Warum?
Das hängt damit zusammen, dass der Bankraub ein zentrales Moment der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung in Frage stellt, nämlich das Eigentum. Der Bankraub richtet sich gegen das Eigentum der Mächtigen und Herrschenden.
In der Rechtssprechung werden etwa Delikte gegen körperliche Unversehrtheit, zum Beispiel eine Vergewaltigung, nach wie vor wesentlich weniger sanktioniert. Offenbar stellen solche Dellikte die Gesellschaftsordnung an sich nicht in Frage.
Ist heute durch die Mittel der digitalen Überwachung und Transaktionen das Zeitalter der klassischen Bankräuber vorbei?
Mit der Digitalisierung kommt man nicht mehr einfach so ans Geld, sondern braucht Know-how über digitale Verfahren. Das betrifft die reale Bedeutung des Bankraubs, aber nicht unbedingt die Räuber-Romantik.
Die Mystifizierung braucht ja nicht die Gegenwart und die Realität, sondern es werden wie gesagt andere Bedingungen darauf projiziert. Von daher bin ich guten Mutes, dass ich auch noch in 15 Jahren Interviews zum Thema geben werde.
Das Gespräch führte Igor Basic.