«Sehen Sie mal da oben!» Im Aquarium Berlin deutet der deutsche Sachbuchautor Bernd Brunner auf etwas Grosses im Wasser. «Das ist eine Schildkröte, die ganz langsam den Ast runterwandert. Das ist ja faszinierend.»
Zwischen Furcht und Faszination
Was heute meist mit Staunen und Neugier betrachtet wird, empfanden die Besuchenden der ersten öffentlichen Aquarien im 19. Jahrhundert oft als verstörend. Denn im Gegensatz zu uns kannten sie die Meeresbewohner nicht aus Fernsehdokumentationen oder vom eigenen Tauchgang, sondern nur vom Hörensagen.
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Bild 1 von 10. Ein Schauspiel für die Augen. Bunte Quallen im Aquarium von Zhuhai in China. Bildquelle: Imago/Pond5 Images.
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Bild 2 von 10. Das Aquarium von Zhuhai ist so gross, dass sogar ein Walhai darin Platz findet. Bildquelle: Imago/Dreamstime.
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Bild 3 von 10. Das grösste Süsswasser-Aquarium in Europa befindet sich übrigens in der Schweiz: Das Aquatis in Lausanne. Bildquelle: Keystone/Laurent Gillieron.
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Bild 4 von 10. Das S.E.A. Aquarium in Singapur scheint einen Schornstein zu haben. Oder wie wäre der Weihnachtsmann sonst hineingekommen? Bildquelle: Imago/ZUMA Press Wire.
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Bild 5 von 10. Im Oceanografic in Valencia spielen Defline die Hauptrolle. Bildquelle: Imago/SOPA Images.
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Bild 6 von 10. Doch auch die Belugawale wissen das Publikum in ihren Bann zu ziehen. Bildquelle: Imago/SOPA Images.
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Bild 7 von 10. Im Georgia Aquarium der US-amerikanischen Stadt Atlanta bekommt man ebenfalls die bunte Unterwasserwelt zu bestaunen. Bildquelle: Imago /Pond5 Images.
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Bild 8 von 10. Die Beliebtheit der Aquarien erstreckt sich von den USA. bis hin nach Südkorea, wie hier in Jeju. Bildquelle: Imago/Xinhua.
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Bild 9 von 10. Ein Heimaquarium kann da nur schlecht mithalten – und ist zudem sehr pflegeaufwendig. Bildquelle: Imago/Pond5 Images.
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Bild 10 von 10. Vielleicht reicht auch ein Aquarium aus Lego? So bleibt die Farbenfreude garantiert harmlos – und wird nicht zum «dunklen» Hobby, vor dem Bernd Brunner wegen des Tierleids warnt. Bildquelle: Imago/Bestimage.
«Einerseits wollte der Zuschauer sehr wohl etwas Neues sehen, gleichzeitig fürchtete er sich davor, wehrte ab und wollte es gar nicht wahrhaben», schreibt Brunner in seinem Buch «Wie das Meer nach Hause kam. Die Erfindung des Aquariums».
Im Aquarium im Zoologischen Garten Berlin beobachtet der Sachbuchautor Quallen, Piranhas und Seeanemonen. Letztere sind auch in «The Aquarium» abgebildet, dem Buch, das der englische Erfinder des Aquariums Philip Henry Gosse 1854 veröffentlichte.
Das Werk löste in der viktorianischen Gesellschaft einen regelrechten Hype aus. Besonders Damen sammelten an der englischen Küste Meerespflanzen und -tiere für ihr eigenes Aquarium.
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Bild 1 von 2. Die Lust am Meer bildete sich erst im 18. Jahrhundert heraus. Küsten wurden zu beliebten Ausflugszielen. Muscheln, Seesterne und Algen beliebte Sammelobjekte. Bildquelle: Aus Bernd Brunner: «Wie das Meer nach Hause kam».
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Bild 2 von 2. Die Beliebtheit der Aquarien wurde immer grösser – ebenso die der Fische. Hier wird ein gefangener Haifisch zum Transport ins New Yorker Aquarium in einer Kiste verstaut. Bildquelle: Aus Bernd Brunner: «Wie das Meer nach Hause kam».
Die Folgen eines Kinderfilms
Brunner deutet auf ein kleines Becken mit Clownfischen: «Die wurden ja vor über 20 Jahren schlagartig sehr bekannt durch den Film ‹Findet Nemo›», erzählt er. Plötzlich wollten Millionen von Kindern einen Clownfisch haben. Das führte zur Überfischung der Tiere.
Es ist löblich, dass Brunner im Buch die Aquaristik auch kritisch betrachtet. Meeresfische etwa werden manchmal mit Zyanid betäubt, damit man sie einfacher abfischen kann. Beim Blick ins heimische Aquarium ist der Leidensweg der Tiere meist vergessen. Brunner spricht deshalb auch vom «dunklen Hobby».
Als er das Berliner Aquarium verlässt, fügt Brunner noch etwas hinzu, das ihm wichtig ist: «Dieser Versuch, das Meer nach Hause zu holen, ist natürlich auch ein Akt der Bemächtigung des Meeres.»
Zieht der Mensch ins Meer?
Brunners reich bebildertes Buch lebt nicht nur von den klugen Analysen des Autors, sondern auch von seinen überraschenden Ideen: «Vielleicht ziehen die Menschen schon im 22. Jahrhundert ganz in den Ozean», schreibt er. «Dann vollzieht sich der letzte Schritt in der Formengeschichte des Aquariums: Das Verhältnis kehrt sich um und der Gegensatz von Mensch und Meer löst sich auf.»
Aber ist das wünschenswert? «Also man würde sich dann dieser Meere noch weiter bemächtigen, als man das sowieso schon heutzutage tut durch Überfischung, durch Verschmutzung – das muss eigentlich nicht sein», sagt Bernd Brunner. «Aber ich habe da sicher nicht das letzte Wort.»
«Wie das Meer nach Hause kam» macht neugierig und nachdenklich. Eine äusserst gelungene Kulturgeschichte des Aquariums.