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Faszinierende Unterwasserwelt Ein dunkles Hobby? Die Erfindung des Aquariums

Bernd Brunner erzählt in «Wie das Meer nach Hause kam» die Kulturgeschichte des Aquariums. Die ersten Becken waren keine Orte des Staunens – sondern des Unbehagens.

«Sehen Sie mal da oben!» Im Aquarium Berlin deutet der deutsche Sachbuchautor Bernd Brunner auf etwas Grosses im Wasser. «Das ist eine Schildkröte, die ganz langsam den Ast runterwandert. Das ist ja faszinierend.»

Mann betrachtet Fische im Aquarium mit Pflanzen im Hintergrund.
Legende: Der Berliner Autor Bernd Brunner besucht die exotischen Einwohner der deutschen Hauptstadt im Aquarium im Zoologischen Garten. SRF/Tobias Wenzel

Zwischen Furcht und Faszination

Was heute meist mit Staunen und Neugier betrachtet wird, empfanden die Besuchenden der ersten öffentlichen Aquarien im 19. Jahrhundert oft als verstörend. Denn im Gegensatz zu uns kannten sie die Meeresbewohner nicht aus Fernsehdokumentationen oder vom eigenen Tauchgang, sondern nur vom Hörensagen.

«Einerseits wollte der Zuschauer sehr wohl etwas Neues sehen, gleichzeitig fürchtete er sich davor, wehrte ab und wollte es gar nicht wahrhaben», schreibt Brunner in seinem Buch «Wie das Meer nach Hause kam. Die Erfindung des Aquariums».

Im Aquarium im Zoologischen Garten Berlin beobachtet der Sachbuchautor Quallen, Piranhas und Seeanemonen. Letztere sind auch in «The Aquarium» abgebildet, dem Buch, das der englische Erfinder des Aquariums Philip Henry Gosse 1854 veröffentlichte.

Das Werk löste in der viktorianischen Gesellschaft einen regelrechten Hype aus. Besonders Damen sammelten an der englischen Küste Meerespflanzen und -tiere für ihr eigenes Aquarium.

Die Folgen eines Kinderfilms

Brunner deutet auf ein kleines Becken mit Clownfischen: «Die wurden ja vor über 20 Jahren schlagartig sehr bekannt durch den Film ‹Findet Nemo›», erzählt er. Plötzlich wollten Millionen von Kindern einen Clownfisch haben. Das führte zur Überfischung der Tiere.

Es ist löblich, dass Brunner im Buch die Aquaristik auch kritisch betrachtet. Meeresfische etwa werden manchmal mit Zyanid betäubt, damit man sie einfacher abfischen kann. Beim Blick ins heimische Aquarium ist der Leidensweg der Tiere meist vergessen. Brunner spricht deshalb auch vom «dunklen Hobby».

Als er das Berliner Aquarium verlässt, fügt Brunner noch etwas hinzu, das ihm wichtig ist: «Dieser Versuch, das Meer nach Hause zu holen, ist natürlich auch ein Akt der Bemächtigung des Meeres.»

Zieht der Mensch ins Meer?

Brunners reich bebildertes Buch lebt nicht nur von den klugen Analysen des Autors, sondern auch von seinen überraschenden Ideen: «Vielleicht ziehen die Menschen schon im 22. Jahrhundert ganz in den Ozean», schreibt er. «Dann vollzieht sich der letzte Schritt in der Formengeschichte des Aquariums: Das Verhältnis kehrt sich um und der Gegensatz von Mensch und Meer löst sich auf.»

Illustration von Meerespflanzen und Korallen mit dekorativen Mustern.
Legende: Unterwasserwelten florieren bis heute. Besonders bei Familien sind sie äusserst beliebt. Hier zu sehen: Seeanemonen, die bereits im Buch des Erfinders des Aquariums auftauchen. Aus Bernd Brunner: «Wie das Meer nach Hause kam»

Aber ist das wünschenswert? «Also man würde sich dann dieser Meere noch weiter bemächtigen, als man das sowieso schon heutzutage tut durch Überfischung, durch Verschmutzung – das muss eigentlich nicht sein», sagt Bernd Brunner. «Aber ich habe da sicher nicht das letzte Wort.»

«Wie das Meer nach Hause kam» macht neugierig und nachdenklich. Eine äusserst gelungene Kulturgeschichte des Aquariums.

Buchhinweis

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Bernd Brunner: «Wie das Meer nach Hause kam. Die Erfindung des Aquariums». Harper Collins, 2025.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 3.11.2025, 17:20 Uhr.

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