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Fehlende Vielfalt in Oxford Die Elite erneuert sich selbst

Die Universität Oxford muss sich gegen Kritik verteidigen: Sie lässt kaum schwarze Studierende zu. Diese Lücke ist vor allem ein Symptom der britischen Klassengesellschaft.

Bei der Aufnahme neuer Studenten hat jedes der 39 autonomen Colleges, die gemeinsam die altehrwürdige Universität Oxford bilden, seine eigene Prozedur. Immer werden persönliche Gespräche mit den Bewerberinnen geführt.

Doch nicht immer ist das Resultat dasselbe: Das Corpus Christi College, zum Beispiel, hat in den letzten drei Jahren nur einen einzigen schwarzen Schüler zugelassen. Das College bildet insgesamt etwa 350 Studenten aus.

Neue Zahlen zu schwarzen Studierenden

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Letzte Woche veröffentlichte die Oxford University auf öffentlichen Druck hin Zahlen, die belegen, dass Schwarze und Angehörige anderer Minderheiten unter den Studierenden deutlich in der Unterzahl sind.

In einem von vier Oxford-Colleges wurde zwischen 2015 und 2017 nicht einmal ein schwarzer Student pro Jahr zugelassen. Für weisse Bewerber ist die Chance, einen Studienplatz zu erhalten, doppelt so gross wie für schwarze Studienanwärter.

Als Reaktion auf die Kritik versprach die Hochschule, im Sommerprogramm 500 mehr Plätze für Angehörige von Minoritäten zu schaffen.

David Lammy, der schwarze Labour-Abgeordnete für den Londoner Stadtteil Tottenham, nannte diese Aufnahmepraxis «soziale Apartheid». Er beklagte, dass sich letztes Jahr dreissig schwarze Schüler für das Informatikstudium beworben hätten – kein einziger wurde aufgenommen.

Lotterie der Postleitzahlen

Die Universität Oxford, die gemeinsam mit Cambridge und dem University College London (UCL) einen Spitzenplatz in den Weltranglisten der Hochschulen belegt, räumte ein, es sei hier noch ein langer Weg zurückzulegen, obwohl Fortschritte zu verzeichnen seien. Schwarze Bewerber, fügte die Uni hinzu, erfüllten eben oftmals die Bedingungen nicht.

David Lammy.
Legende: Der Abgeordnete David Lammy fordert mehr Diversität an den Hochschulen. Imago/iImages

Die Asymmetrie bei der Vergabe der Studienplätze ist ein Symptom der britischen Klassengesellschaft, die sich auch im Bildungswesen zeigt: Das britische, vor allem aber das englische Schulsytem, unterstreicht soziale Unterschiede anstatt sie zu glätten.

Ärmere Wohngegenden, in denen vergleichsweise viele Schwarze leben, haben schlicht schlechtere Schulen. Die Einheimischen nennen das eine Postleitzahlen-Lotterie: Der Wohnort bestimmt über die Aufstiegschancen.

Die Elite stellt wieder die Elite

Gewiss, die Universitäten sind nicht an allem schuld. Schwarze Buben haben oft kaum männliche Rollenvorbilder, schwarzen Eltern geht nicht selten der schulische Ehrgeiz für ihre Kinder ab.

Aber die Aufnahmegespräche in den Elite-Universitäten konfrontieren die Schüler mit einer gänzlich fremden Welt. Sie sind diese Art von Befragung und Hinterfragung nicht gewohnt. Für die Bewerber aus Privatschulen dagegen ist dieser Diskurs Alltag: Sie bewältigen die Bewerbungsgespräche problemlos.

Etwa sieben Prozent aller britischen Kinder gehen in Privatschulen. Aber vierzig Prozent aller Studenten in Oxford und Cambridge kommen aus solchen Privatschulen. Das erklärt, warum die Absolventen von Privatschulen die meisten Richter, Anwältinnen, Politiker und auch Journalisten stellen.

Die Elite erneuert sich aus ihren eigenen Reihen: Konventionen und Traditionen untermauern die Ungleichheit.

Die Schulen sind gefragt

Schulrektoren geben zu, dass sie ihre Schüler besser vorbereiten müssen, dass sie auch das kritische Denken besser vermitteln müssen. Die Universitäten selbst müssen sich aktiver um eine repräsentative Studentenschaft bemühen.

Radcliffe Camera, die Hauptbibliothek von Oxford.
Legende: In Oxford – hier der Lesesaal Radcliffe Camera – gehen fast nur Sprösslinge der Elite ein und aus. Imago/Robert Harding

Zum Beispiel, indem sie Sommerlager für Schüler aus Abschlussklassen in unterprivilegierten Gegenden organisieren. Das sind gewissermassen Schnupperlehren, die den Schülern exakt beibringen sollen, was von ihnen im akademischen Umfeld erwartet wird, und was sie umgekehrt erwarten dürfen.

Der Weg zu sozial gerechten und «farbenblinden» Aufnahmeverfahren ist gewiss noch lang, die Universitäten werden nicht allein erfolgreich sein können. Aber es darf nicht sein, dass der Begriff «Elite-Universität» bedeutet, dass hier vornehmlich die Sprösslinge der bestehenden Elite ausgebildet werden.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 29.5.18, 7.20 Uhr

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