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Feminismus und die Kirche Wie diese junge Theologin die Kirche gerechter machen will

Jeder theologische Lehrstuhl müsse künftig ein feministischer sein, fordert Sophie Zimmermann. Ein Blick zurück auf 40 Jahre Kampf – und nach vorne.

Sophie Zimmermann hat kürzlich ihr Theologiestudium an der Uni Fribourg abgeschlossen. Das ist keineswegs selbstverständlich. Denn immer weniger junge Menschen studieren Theologie. An Deutschschweizer Unis haben sich letztes Jahr bloss zwischen ein paar wenigen bis zu 30 Studierende neu für das Fach eingeschrieben.

Von Anfang an war Zimmermann an feministischen Themen interessiert. Frauenpriestertum, Homosexualität oder Queerness beschäftigten sie.

Eine Frau Mitte Zwanzig lehnt an einem Baum; sie hat die Arme ineinander verschränkt. Sie trägt kurzes Haar und lächelt.
Legende: Sophie Zimmermann wünscht sich, dass sich die römisch-katholische Kirche noch stärker für weibliche Perspektiven öffnet. Hardy Konzelmann

«Ich tauschte mich mit einer Mitstudentin darüber aus. Wir hatten keine Ahnung, wie die anderen darüber dachten. Diese Themen kamen nicht einfach so auf den Tisch», erinnert sie sich. Bis heute gibt es schweizweit keinen explizit feministisch-theologischen Lehrstuhl oder Pflichtfächer, die vertieft ins Thema einführen.

Als Sonderfall abgekanzelt

«Ich habe aufgehorcht, wenn im Studium von einer feministischen Perspektive die Rede war», sagt die Innerschweizerin. «Diese wurde aber immer als Sonderperspektive behandelt.»

Feministische Theologie will Stimmen und Erfahrungen von Frauen ins Zentrum stellen. Über Jahrhunderte seien diese von einer patriarchalen Kirche unsichtbar gemacht und totgeschwiegen worden, wie Feministinnen vor allem seit den 1970ern kritisieren.

Feministische Theologie in der Schweiz

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Seit Ende der 1970er wollten sich christliche Frauen von der patriarchalen Ordnung der Kirche befreien. An Unis gründeten sie feministische Lesegruppen, suchten nach anderen Gottesbildern oder wollten Rituale neu gestalten. Es gab Frauengottesdienste oder ökumenische Feiern mit bis zu 1000 Teilnehmerinnen.

Mit vielfältigen Projekten und Initiativen wollten sich die Frauen Gehör verschaffen. 1985 wurde beispielsweise die feministisch-theologische Zeitschrift FAMA gegründet, die bis heute besteht. Es kamen Frauen- und Genderfachstellen der Kirchen hinzu. Teilweise wurden diese jedoch später wieder abgeschafft.

«Ich finde es wichtig, dass Erfahrungen von Frauen oder weiblich gelesenen Menschen bedacht werden, etwa in Predigten oder bei der Auslegung der Bibel», erklärt Zimmermann. Insbesondere die römisch-katholische Kirche solle sich jedoch für die Perspektiven aller diskriminierten und marginalisierten Menschen öffnen. «Das gehört für mich zum Kern des Christentums.»

Die junge Theologin interessiert sich entsprechend auch für die Erfahrungen von Transmenschen, Armutsbetroffenen oder People of color. «Eine Theologie, die das nicht berücksichtigt, ist veraltet.» Jeder theologische Lehrstuhl müsse zukünftig ein feministischer sein.

Kaum Kritik von Kirchgängerinnen

Diese progressive Haltung vertreten längst nicht alle. Konflikte scheinen vorprogrammiert. Tatsächlich hat Sophie Zimmermann solche in ihrem Theologiestudium schon erlebt.

Positiv war dagegen ihre Erfahrung bei der Arbeit in einer Pfarrei in Kriens: «Da spüre ich viel Wohlwollen. Ich werde als junge Frau geschätzt und unterstützt, sowohl von Kirchgängerinnen als auch von Mitarbeitenden.»

Viele Frauen, die während der Hochblüte der feministischen Theologie in den 1980ern und 90ern ausgebildet und geprägt wurden, sind heute in Pfarreien und Kirchgemeinden tätig. Wenn sie als Seelsorgerin arbeiten oder ein Kind taufen, tun sie das mit einer selbstverständlichen feministischen Haltung.

Wo bleibt die Bewegung?

So erstaunt es nicht, dass Hunderte von ihnen zusammen mit anderen kirchbewegten Frauen am feministischen Streik 2019 auf die Strasse gegangen sind. Unter dem Motto «Gleichberechtigung. Punkt. Amen.» haben sie sich für eine andere, gerechtere Kirche eingesetzt. Gleichwohl fehlt eine breite, öffentlichkeitswirksame Bewegung wie ab den 1980er-Jahren.

Wie blickt Zimmermann in die Zukunft? «Ich spüre eine gewisse Hilflosigkeit. Nicht nur wegen der feministischen Theologie, sondern wegen der Theologie allgemein», stellt die 25-Jährige fest.

«Jetzt stehe ich am Anfang meiner Karriere. Ich werde noch knapp 40 Jahre arbeiten. Wie wird sich römisch-katholische Kirche in dieser Zeit verändern?» Diese Frage beschäftige sie sehr. Sophie Zimmermann macht eine Pause, lacht und ergänzt: «An manchen Tagen bin ich pessimistisch, an andere wieder optimistisch. Jedenfalls ist es eine spannende Zeit.»

Literatur zum Thema

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Doris Strahm, Silvia Strahm Bernet (Hrsg.): «Mächtig stolz. 40 Jahre feministische Theologie und Frauen-Kirche-Bewegung in der Schweiz». Efef-Verlag, 2022.

Radio SRF 2 Kultur, Perspektiven, 8.2.2023, 9:05 Uhr (Wiederholung).

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