Ob Feministin, Astronom oder Dichterin: Für Menschen, die sich über die Erwartungen und Konventionen ihrer Zeit hinwegsetzen, interessiert sich Maria Popova.
Die US-amerikanische Autorin mit bulgarischen Wurzeln ist leidenschaftliche Leserin. Seit 2006 berichtet die 36-Jährige auf ihrem Blog « Brain Pickings » von ihren Leseeindrücken.
Auf über 850 Seiten bietet sie nun einen Teil ihrer Lesefrüchte in Buchform an: In «Findungen» porträtiert Popova brillante Denkerinnen und Denker aus der Wissenschaft, Kunst und Literatur. Die Autorin verknüpft damit Lebensentwürfe der letzten 400 Jahre.
Das Buch entführt uns ins 16. Jahrhundert
Der Fokus liegt auf einer Handvoll fortschrittlicher Frauen an der Ostküste der USA im 19. Jahrhundert. Doch das Buch geht weit darüber hinaus.
Es beginnt mit dem Astronomen Johannes Kepler und seinem Kampf gegen Unwissenschaftlichkeit und Aberglaube im 16. Jahrhundert. Seine Gegner waren die Verfechter des alten geozentrischen Weltbilds. Gleichzeitig versuchte er, seine der Hexerei beschuldigte Mutter vor dem Scheiterhaufen zu bewahren.
Die Reise geht weiter
Eine seiner Nachfahrinnen war die Astronomin Maria Mitchell. 1847 entdeckte sie einen neuen Kometen durchs Teleskop. Damals eine Sensation. Früh von ihrem Vater gefördert, wurde Mitchell eine der ersten und wichtigsten Astronominnen und später Professorin.
Sie studierte nicht nur den Sternenhimmel, sondern auch literarische und philosophische Werke. Als gebildete Frau bekam sie damals das Buch «Women of the Nineteenth Century» in die Hände und verschlang es.
Ein Stafettenlauf grosser Denkerinnen
Das Buch wiederum stammt aus der Feder von Margaret Fuller und ist eine bahnbrechende Abhandlung über die Rolle der Frau im 19. Jahrhundert. Fuller gilt als frühe Feministin, veranstaltete Salons für Frauen und eroberte die Männerdomäne des Journalismus.
Über viele Nebenfiguren geht der Stafettenlauf der Denkerinnen und ihrer Ideen so weiter zur Bildhauerin Harriet Hosmer und der Dichterin Emily Dickinson. Das Buch endet schliesslich im 20. Jahrhundert bei der Meeresbiologin Rachel Carson.
Diese schrieb Bestseller über das Meer oder die verheerenden Auswirkungen der Pestizidnutzung. Das Buch «Der stumme Frühling» hatte massgeblich die Umweltbewegung im 20. Jahrhundert mitangestossen. Nicht zuletzt, weil Carsons Stil hohes literarisches Niveau hatte. Sie wollte nämlich erst Schriftstellerin werden.
Intime Einblicke in Frauenfreundschaften
Wo Wissenschaft auf Kunst trifft, blüht die Autorin Maria Popova auf. Und auch auf die Verbindung von Leben und Werk legt sie grossen Wert. Neben ihren Errungenschaften ist auch so einiges über das Gefühlsleben der Protagonistinnen zu erfahren. Fast alle der Porträtierten pflegten innige Frauenfreundschaften, deren genaue Definition sich Maria Popova nicht anmasst.
Durch ausufernde Zitate aus Liebesbriefen wird es manchmal ein bisschen sentimental. Es sind Längen, die man der Autorin aber verzeiht, denn bald schon findet man sich im nächsten teilweise abenteuerlichen Lebenslauf wieder.
Ein Buch, das Grenzen sprengt
Maria Popova hat ein Händchen für spannende biografische Geschichten und Anekdoten. Zudem vermag sie diese Geschichten sehr elegant mit menschlichen Grundfragen in Verbindung zu bringen: Wer sind wir? Was macht ein glückliches Leben aus? Wie können wir unsere Gesellschaft verändern? Die Antworten, die man in diesem Buch findet, sind inspirierend.