«Die digitale Zukunft ist auf unseren Tellern längst angekommen», sagt Hendrik Haase. Der Food-Blogger beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Herstellung, Lieferung und Verarbeitung von Lebensmitteln. Gemeinsam mit dem Wirtschaftsjournalisten Olaf Deininger hat er ein Buch zur Problematik geschrieben: «Food Code. Wie wir in der digitalen Welt die Kontrolle über unser Essen behalten».
Die beiden Autoren haben beobachtet, dass die Verzahnung von Digitalisierung und Industrie auch bei den Lebensmitteln immer schneller voranschreitet. Aber es redet niemand darüber. Das sei nicht unproblematisch, warnt Hendrik Haase. Denn «digital» heisse immer auch: Datenerfassung.
Gefährliche Zentralisierung
Die Datenflut läuft meist bei digitalen Monopolisten zusammen. Ein grosser Player sei Amazon, weiss Hendrik Haase: «Das ist längst nicht mehr nur ein Online-Shop sondern eigentlich ein Serverplatz-Handel. Viele Start-ups arbeiten mit diesen Servern, viele Bauern sind auf die Server von Amazon angewiesen.» Das hinterlasse bei ihm ein mulmiges Gefühl.
Der Food-Aktivist fordert darum, dass eine digitale Infrastruktur geschaffen wird, die in öffentlicher Hand liegt – ähnlich dem Stromnetz, das von den Stadtwerken gesteuert wird. Die Belange der «digitalen Essgesellschaft» der Zukunft müssten auf mehrere Schultern verteilt werden, ist Haase überzeugt.
Kontrollinstanz Konsumenten
Natürlich sollten auch Konsumentinnen und Konsumenten den Prozess der Digitalisierung und Technologisierung kritischen verfolgen. Es gehe unter anderem darum, eine vielfältige, gesunde Esskultur zu erhalten – eine Esskultur, die nicht einfach algorithmenhörig einem gewissen Mainstream folgt.
Hendrik Haase denkt da etwa an Apps, die uns mittels QR-Code anzeigen, wie gut der sogenannte Nutri-Score eines Lebensmittels ist. Sein aktuelles Beispiel kommt aus der Schweiz: «Mir ist kürzlich ein Gruyère aufgefallen, der einen schlechten Nutri-Score bekommen hat, weil er zu viel Fett enthielt. Das Toastbrot nebenan hatte aufgrund seiner guten Nährwerte den grünen Nutri-Score A.» Solche Gesundheitsempfehlungen müssten unbedingt hinterfragt werden.
Innovative Schweiz
Die Digitalisierung im Food-Sektor birgt aber auch Chancen, betont Hendrik Haase. Sie verspricht eine Verbesserung, wenn es um Lebensmittelsicherheit, transparente und effiziente Lieferketten, Nachhaltigkeit oder das Minimieren von Lebensmittelverschwendung geht.
Die Schweiz sei diesbezüglich ziemlich innovativ: Hier werde an Technologien wie der Blockchain geforscht, sagt Haase, also an der lückenlosen Aufklärung über das Produkt.
Einmal den QR-Code mit dem Smartphone gelesen – und man erfährt sofort, ob das Gemüse mit Glyphosat besprüht oder das Poulet mit Antibiotikum gemästet wurde, heisst es etwa bei IBM Food Trust. Im Nestlé-Forschungszentrum in Lausanne wiederum wird an personalisierten Nahrungsmitteln, ökologischen Verpackungen und pflanzlichen Alternativen zu Fleisch experimentiert.
Debatte anstossen
Mit ihrem Buch «Food Code» wollen Hendrik Haase und Olaf Deininger zur längst überfälligen Diskussion anregen. Sie denken dabei an Agrarroboter und Algorithmenhörigkeit – also an Chancen wie auch Gefahren. «Negieren wir die Entwicklungen», so Haase, «müssen wir vielleicht irgendwann feststellen, dass wir wegen eines Küchenmixers krank geworden sind, weil der uns Rezepte vorgeschlagen hat, die wir gar nicht vertragen.»