Bilder prägen unsere Wahrnehmung von Ländern und Staaten. Das lässt sich im Moment in der Ausstellung «Isrealities» des Jüdischen Museums Schweiz in Basel erleben. Sie lädt ein, der Geburt des Staates beizuwohnen und ihm beim Erwachsenwerden zuzuschauen. Es sind eindrückliche Momentaufnahmen von sieben Fotografen aus verschiedenen Epochen.
Die Schau beginnt mit einem fotografischen Blick in die 1930er-Jahre, als der Landstrich in der Levante noch Palästina war. Erste Häuser in der kargen Wüste, ein Land im Aufbruch. Je näher die Aufnahmen ins Heute rücken, umso mehr ergibt sich das Bild eines zerrissenen Landes: abgehalfterte Comic-Helden auf Minenfeldern und eingerollte «Peace»-Transparente.
Das Gemeinsame betonen
Der Fotografie kommt bei der Bildung von Nationen eine wichtige Rolle zu. Das sagt auch Peter Pfrunder, Direktor der Fotostiftung Schweiz. Aus gutem Grund: «Die Geschichte der Nationalstaatenbildung in Europa ab Mitte des 19. Jahrhunderts geht einher mit der Erfindung und Verbreitung der Fotografie», so Pfrunder. Fotos waren eine Möglichkeit, um das Gemeinsame zu betonen.
Auch in der Schweiz. «Einerseits fotografierte man offizielle Gebäude wie die ETH Zürich als neue Institution der Schweiz, oder Postgebäude. Andererseits ging es auch darum, ein Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen über Porträts, über die Darstellung von Bräuchen, von Traditionen. Alles, was wichtig war, um eine gemeinsame Geschichte darzustellen».
Die Schweiz als Bauernstaat porträtiert
Die Wahrnehmung der Schweiz als Bauernstaat ist ebenfalls ein Kind der Fotografie. Die geistige Landesverteidigung in den 1930er-Jahren wollte Nationalstaatlichkeit ausdrücken. Porträts von Schweizer Bäuerinnen und Bauern wurden populär. Die Schweiz, ein Volk von Bauern? Noch immer glauben wir das, auch wenn es gar nicht der Realität entspricht.
Doch wer entscheidet, was eine Nation ausmacht? «Das sind komplizierte Prozesse, die man nicht einfach jemandem zuschreiben kann», sagt Peter Pfrunder. Einerseits gibt es die offiziellen Fotografien, die von Autoritäten bestellt werden. Andererseits gibt es politische Bewegungen aus der Basis des Volkes. «Fotografen, als Teil dieser Bewegungen, liefern die Bilder dazu.»
Nicht immer geht es hierbei um ein Nationalgefühl, so Peter Pfrunder. Fotos schaffen ebenfalls kollektive Identitäten. Ein Beispiel hierfür sei die fotografische Bewegung der «Photographie humaniste» in Frankreich nach dem Zweiten Weltkrieg: Durch Fotografie wird ein Lebensgefühl ausgedrückt, das mit der Wirtschaftskrise kontrastiert. «Die Leute versuchen sich aufzurappeln und suchen im Kleinen das Glück», so Pfrunder.
Fotografien als Wunschbilder
Besonders bekannt ist das Foto «Le Baiser de l’Hôtel de Ville», ein Schwarzweiss-Foto von Robert Doisneau von 1950. Ein Paar küsst sich mitten auf der Strasse. «Es ist ein Ausdruck von Lebensfreude, von Optimismus, von Zukunftshoffnung, das soziale und wirtschaftliche Probleme überspielt.»
Denn Fotos dokumentierten nicht nur, sondern hätten auch die Aufgabe, Gefühle zu erzeugen. Das Bild, das die Fotografen in Frankreich damals zeigte, war ein Wunschbild, nicht die Realität.
Klar politisch motiviert war die Fotokampagne der Farm Security Administration, welche die US-Regierung zur Zeit der Grossen Depression in Auftrag gegeben hat. Ihr Ziel war, den Notstand der ländlichen Bevölkerung in den Südstaaten abzubilden. Das bekannteste Bild der Kampagne ist wohl dasjenige der «Migrant Mother» von Dorothea Lange: Es zeigt eine heimatlose Frau mit ihren Kindern – und erweckt sofort Anteilnahme.
Dieses Foto führt eindrücklich vor Augen, wie Fotografie auch wirken kann: suggestiv.